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Christoph Wagner's Weblog

01.12.04 @ 01:25

Nietzsche in Prag und ich in Paris

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Nein, ich bin nicht größenwahnsinnig geworden; mit Nietzsche kann und will ich mich nicht vergleichen, allein schon deshalb, weil ich nie ein Pferd umarmen würde.

Allein: Nietzsches Theorie von der Wiederkehr des Ewiggleichen kam mir gerade unlängst, als ich ein paar Tage in der Goldenen Stadt verbrachte, wieder in den Sinn. Es wimmelt dort von französischen Restaurants, die Moldau scheint randvoll mit Jakobsmuscheln, Hummern und Seezungen zu sein, während die Karpfen, Zander und Waller dort so gut wie ausgestorben sein dürften.

Prag erinnerte mich an Wien, nachdem hier der Gault Millau und die Nouvelle Cuisine importiert worden waren. Plötzlich gab´s überall nur Angler in Rotweinbutter, Barbarieentenbrüste und Bressehühner, weil wir (nicht ganz zu Unrecht) glaubten, unsere damals darniederliegende Gastronomie könne nur am französischen Wesen genesen.

Mittlerweile haben die Österreicher an kulinarischem Selbstbewusstsein gewonnen. Angler in Rotweinbutter gibt´s nicht einmal mehr auf der Alm, und das einzige französische Lokal in der Bundeshauptstadt, das diesen Namen einigermaßen verdient, ist das Salut am Wildpretmarkt; und selbst das ist in der Gastroszene ein eher sympathischer, Außenseiter und unter all den Ethnos fast ein europäischer Exote.

Das Französische ist aus der österreichischen Küche (seit Rudi Kellners Abgang fühlen sich nur noch Christian Petz und Heinz Hanner ein bissl dafür zuständig) weitgehend ausgemerzt, und ich fürchte, in Prag wird die frankophile Welle auch nicht lange anhalten.

Die Franzosen sind, scheint´s, nur dafür gut, uns jene oft formidablen Kochtechniiken zu lehren, mit deren Hilfe wir dann wieder zu uns selbst und zu einer unverwechselbaren eigenen Küche finden können (so wir nicht den bequemen Sidestep übers Zitronengras und den Koriander wählen).

Eine Woche später war ich dann zunächst in der Champagne und dann in Paris, das zurzeit in einem Lichterglanz erstrahlt, der der Fifth Avenue kaum was drauflässt.

Klar, Paris ist überteuert (wenngleich immer noch nicht ganz so teuer wie London), und es ist auch auf Sinnsuche. Außerdem sitzt den Parisern die EU mit ihren verblödeten Hygienevorschriften im Nacken. Erstmals habe ich, obwohl in ersten Häusern speisend, keinen anständig gepflegten Käse bekommen (was in den ersten Häusern von Prag kein Problem war). Der Grund: Der Käsewagen wird bei Bestellung vorschriftsmäßig aus dem Kühlraum herein geschoben und muss gleich nach dem Servieren wieder dorthin zurück. Wie soll ein Käse da fließen?

Aber dennoch: Der kulinarische Urmeter steht nach wie vor an der Seine. Und wenn´s nur deswegen ist, weil man bei jedem einfachen Geflügelhändler ein schwarzes Huhn aus der Normandie bekommt, an dessen schmutziggrauer Haut und schwarzen Krallen man sich davon überzeugen kann, dass es frisch ist.

In Wien und Prag ist das noch nicht einmal eine Utopie.

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