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Christoph Wagner's Weblog

10.09.05 @ 18:40

Wie kommt der Harzgeschmack in die Hörnchensauce?

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In der Nähe meines Urlaubsortes auf Korfu gibt es eine Taverne „Zum Eichhörnchen”, die allerdings ungefähr so viele Eichhörnchengerichte aufwartet wie die hiesigen Wirtshäuser „Zum Auerhahn” Auerhähne auf der Karte haben.

Da man im Urlaub viel Zeit hat und mir eine schöne Küche zur Verfügung stand, machte ich mich also, da mein Appetit auf diesen kleinen Nager nun einmal angeregt war, entlang der Esplanade von Kerkyra auf die Suche nach einem geeigneten Exemplar, wurde alsbald fündig und sah mich nunmehr mit der verantwortungsvollen Aufgabe konfrontiert, ein der Elegance und dem autochthonen Charme des Sciurus vulgaris würdiges Rezept zu entwickeln.

Ich löste also nach dem Abwalmen des glänzenden Fells zunächst das Rücken- und Schenkelfleisch aus und bereitete aus dem Rest - Fleisch und Karkassen - einen guten, kraftvollen Hörnchenfond zu. Dann kratzte ich - das Chalet, das wir bewohnten, stand inmitten eines Olivenhains - zwei handtellergroße Stückchen Rinde von den Bäumen, wachste diese an der Innenseite gründlich mit griechischer Ziegenbutter ein (die ich leider um sündteures Geld in der Parfümerie erstehen musste) und legte vorsichtig die leicht gesalzenen und dezent mit rotem Korfu-Pfeffer gewürzten Eichhörnchenstücke zwischen die Rinden, die ich danach sorgsam mit Küchengarn umwickelte.

Nun kommt der Clou des Rezepts: Ich hängte die Rinde mit der Hörnchenfülle an zwei Bindfadenschleifen kommod wie eine Hängematte zwischen die beiden Henkel eines größeren Kochtopfs, in dem ich den Fond weiter einreduzierte, während das Eichhörnchenfleisch in der Rinde darüber langsam unter dem aufgesetzten Deckel gar ziehen konnte.

Während dieses sorgsamen Garungsprozesses zog ich immer wieder Proben vom Fond und hoffte, dass dieser durch den Austausch des Rindenaromas mit den Dämpfen des Fonds allmählich einen diskreten Olivenhaingeschmack annehmen würde, allein: alle meine Bemühungen fruchteten nichts.

Plötzlich hatte ich eine Eingebung und reduzierte nebenbei eine Flasche Retsina der verlässlichen Weltmarke Kourtaki auf die Konsistenz eines Esslöffels ein, bis ich diesen wie flüssiges Harz in meinen mittlerweile ebenfalls stark einreduzierten Hörnchenfond träufeln konnte.
Ich löste das Eichhörnchenfleisch aus seiner Rindenkruste, richtete es (wie alles in Griechenland) auf dicken, ungewürzten Gurkenscheiben an und beträufelte es mit meinem Harzhörnchenfond sowie einigen Tropfen teuren kretischen Diätöls.

Ich kann euch sagen, Freunde: Es war eine Köstlichkeit, die eines Archestratos würdig gewesen wäre, und ich kann jedermann nur raten, sich im Schönbrunner Schlosspark nach geeigneten Hörnchen und Rinden umzusehen (es können, denke ich, auch solche von naturgeschützten Eichen verwendet werden, Hauptsache, am Schluss kommt der Retsina von Kourtaki und damit das Harz mit ins Spiel.)

Ich beschließe diese kleine Retourmeldung von meinem Griechenland-Urlaub mit dem unaufdringlichen Hinweis an WWF- und Vier-Pfoten-Adepten, dass es sich dabei um einen Beitrag aus der in der Präambel angesprochenen Abteilung „Scherz, Satire & Ironie” handelt. Aber mit sehr viel Kulinarischerem als diesem Rezept habe ich angesichts des derzeitigen Zustands der Inselküche von Korfu leider nicht aufzuwarten. Auch die Stierhoden aus Kerkyra, auf die mich wohl(?)meinende Freunde aufmerksam gemacht hatten, scheinen eher der minoischen Epoche als der kulinarischen Gegenwart zuzurechnen zu sein.

Das Meer hingegen war toll - und fast so leergefischt wie der Swimmingpool gleich daneben.

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