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Christoph Wagner's Weblog

18.10.05 @ 00:56

Die Tücken des Alltags

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Am vergangenen Wochenende habe ich am Naschmarkt eine Spanferkelkeule gekauft. Gut, es war keine Milchferkelkeule, sie stammte, an die vier Kilo schwer, schon von einer veritablen kleinen Sau, der Preis war jedenfalls beträchtlich, und ich spürte die Kruste schon voll Vorfreude zwischen meinen Zähnen krachen. Allein: Mein wunderbarer High-Tech-Herd machte mir einen Strich durch die Rechnung. Die Elektronik fiel aus, und er blinkte, statt zu braten. (Er blinkt schon seit Samstag, aber der Elektriker kommt erst morgen früh.)

Was also tun? Ich vertiefte mich in meine Kochbuchsammlung und fand in einem Exemplar aus dem vorvorigen Jahrhundert ein Rezept für eine gedämpfte Schweinsstelze, das ich einigermaßen umzusetzen versuchte. Glücklicherweise hatte gerade ersteine Flasche Bienenfresser gekorkt (wenn er nicht korkt, einer meiner Lieblingshausweine).

Im Gegensatz zu anderslautenden (Vor)urteilen kommt der Korkgeschmack beim Schmoren keineswegs durch. Also setzte ich meine geschröpfte Spanferkelkeule (ich hatte sie zuvor halbiert, wir reden also von ca. 2 kg) in einen Topf, begoss sie mit der Flasche korkendem Bienenfresser von Pitnauer und goss soviel Rindsuppe nach, dass die Keule, die ich zuvor mit Knoblauch, Wacholderbeeren, Pfefferkörnern, etwas grobkörnigem Meersalz, Neugewürz und Lorbeer gespickt hatte, bis obenhin von Flüssigkeit bedeckt war. Ich fügte noch einen Bund Wurzelwerk sowie eine mit Nelken und etwas Zimt gespickte Zwiebel hinzu und ließ mein Keulchen unter halbstündigem Wenden zart blubbernd und zugedeckt schmoren.

Nach etwa drei Stunden sah meine Keule so lila aus wie eine Krake. Ich hob das Keulchen in eine andere Pfanne, ließ es mit etwas Sud zugedeckt weiterköcheln und den restlichen Sud inzwischen kräftig einkochen. Dann machte ich eine Einbrenn und goss diese mit dem einreduzierten Sud solange auf, bis eine sämige Sauce entstand, in die ich meine Spanferkelkeule mit der Schwarte nach unten einlegte und - unter Zugabe von etwas Madeira und einem Schuss Cognac- noch einmal eine gute halbe Stunde zugedeckt schmoren ließ.

In der Zwischenzeit bereitete ich Blaukraut (das beste findet sich im Kochbuch von Hans Haas) und Erdäpfelnudeln zu.

Nach fast vier Stunden Kochzeit war das Fleisch wundersam zart, der Saft gallertig und die Schwarte so weich durchgekocht, dass sie als Pulpo ebenso wie als Kalbskopf durchgegangen wäre. Ich zog die Schwarte also ab, schnitt sie in Streifen und richtete sie gemeinsam mit ein paar in Butter gebratenen Steinpilzen und etwas Aceto Balsamico auf Vollkorntoasts an. War ein echter Hit, und meine anfängliche Angst, das Spanferkel würde ohne die knusprige Kruste nur ein Schatten seiner selbst sein, verflog spätestens, nachdem ich die Sauce noch mit einem Schuss Grand Marnier verfeinert hatte.

Was lernen wir daraus? - Auch wenn die Technik versagt, ist noch nicht alle Hoffnung verloren. Und: Aus alten Kochbüchern kann man, etwas Erfindungsreichtum und Phantasie vorausgesetzt, noch immer eine Menge lernen (u.a. auch, dass eine Einbrenn, richtig eingesetzt, nicht automatisch vom Bösen sein muss.)

P.S.: Ich verabschiede mich jetzt für eine Woche auf die Frankfurter Buchmesse, wo ich u.a. meinem Lieblingslokal Gargantua und dem von miir in jeder Hinsicht verehrten Klaus Trebes ( www.gargantua.de ) einen Besuch abstatten werde.

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