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Christoph Wagner's Weblog

12.11.05 @ 02:32

Wie bewertet man Wörther?

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Der neue Gault-Millau ist, wie zu erwarten, weder ein besonderer Segen noch ene besondere Blamage geworden. Diplomatisch umschiffte das Neo-Herausgeberpaar Hohenlohe die Steirereck-Klippe (sollen sich über 17 Punkte doch freuen, sind ja ein ganz neues Lokal). Weniger gelang das neue Layout (die Lauftextschrift ist viel schlechter lesbar als die alte), und die versprochene wesentliche Verbesserung der Textqualität lässt („der Lammrücken präsenterte sich janusköpfig") einstweilen auch noch auf sich warten. Dass man einen großen Koch wie Heino Huber (1998 immerhin noch GM-Koch- des-Jahres) mit 13 Punkten und einer Haube wie einen Schulbuben abschasselt, ist, auch wenn er beim letzten Test gerade nicht seinen großen Tag gehabt haben mag, schlechter Stil. Aber insgesamt hätte alles viel schlimmer kommen können.

Ich möchte das Augenmerk allerdings auf die diplomatischste und gleichzeitig fragwürdigste Bewertung dieses Guides lenken: nämlich auf die 2 Hauben/16 Punkte für Jörg Wörthers Fingerfood-Lokal „Carpe Diem". Damit liegt der Gault Millau (dem auffälliger Weise auch ein „Carpe Diem"-Wellness-Guide beigelegt ist) keineswegs schief, aber dennoch grundfalsch- Schuld daran ist allerdings keineswegs das Ehepaar Hohenlohe, sondern die Struktur dieses (und eigentlich fast aller) Guides.

Ich erinnere mich noch heute einer (ebenfalls von Gault-Millau, damals noch unter meiner Ägide, durchgeführten) Verkostung von Champagne-Nobles-Cuvées vor vielen Jahren, in der ein Krug Clos des Mesnil etwa von der Hälfte der Juroren 19/20 Punkten bekam, und von der anderen Hälfte als schadhaft (12 - 9/20) eingestuft wurde. Am Schluss kamen knappe 16 Punkte für diesen Wein heraus, ein Kompromiss, der über das Wesen und die Kontroversität dieses großartigen, aber leider schwer verständlichen Champagners überhaupt nichts aussagte.

16 Punkte für ein Fingerfood-Lokal sind ebenso eine Irreführung wie 16 Punkte für Jörg Wörther. Das eine wäre mit 13 oder 14 Punkten bestens bedient, für den anderen ist allles, was unter 18 Punkten liegt, ein krasses Fehlurteil, und was den Grad von Wörthers Kochkunst (so er dieselbe nicht gerade in Stanitzel investiert) betrifft, müsste er eigentlich 19 oder gar 20/20 Punkten haben.

Fazit: Vor Wörthers „Carpe Diem" versagt die Punktezählkunst von uns Restaurantkritikern.

Andererseits habe ich unlängst einmal eine inoffizielle Initiative unternommen, die Speising-Sterne endich abzuschaffen und durch verbale Beurteilungen zu ersetzen. Schon ein kleines Umfrage-Sample im innersten Kreis der SpeisingerInnen zeigte: keine Chance. Alle, selbst jene, die Hauben, Sternen und Punkten kritisch gegenüber stehen, meinten, die Menschheit dürsteten nun einmal nach Bewertungen und Noten — auch auf Speising.

Also seien auch Wörthers „Carpe Diem" seine 16 Punkte von Herzen vergönnt. So falsch sie sind.

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