Home | Blogs | Tischgespräche | 28.10.06

Tischgespräche

28.10.06 @ 23:46

Woran erkennt man den Tester?

Kommentar abgeben

ausblendenSie müssen eingeloggt sein um diese Option zu nutzen. Falls Sie noch nicht Mitglied von SPEISING.NET sind, können Sie sich hier registrieren.

Gleich zu Beginn des Buches wird klar: Leute, die sich Notizen machen, sind eher keine Tester. Sondern billige Kopisten, Trittbrettfahrer, vom bösen Guide verführte Gäste, die sich ein Extrazuckerl herausschlagen wollen. Aber trotzdem eine Küche in Nervosität versetzen können? Hoppla: Extrazuckerl für Anonyme? Wie geht das? Was also, wenn sich da jemand einfach nur den guten Wein, den unbekannten, festhalten möchte? Oder sich im Sinne eines Gesamtkunstwerkes Überlegungen zur Harmonie von Speisen und Musik macht, die selbstverständlich detaillierter Aufzeichnungen bedürfen? Nun gut, Mitschreiben ist ohnehin gestrichen.

Aber offenbar umweht den Tester eine Aura des Bösen. Wie sonst sind solche Bemerkungen zu verstehen?: „So schön kann das Leben sein, - wenn gerade kein Tester da ist.” „Wären die versnobten Gäste Tester gewesen – ihre Arroganz gab Anlass, das anzunehmen - ....” Hurra die Gams! Aber auch die Beiträge des Herrn Hoffmann sind selbstenthüllend: wenn etwa die 13 Punkte durch die Präsenz eines jungen Kellners begründet werden, wo doch in die Bewertung ausschließlich die Küchenleistung einfließen soll. Wie's auch im dieswöchigen Verteidigungsinterview der Hohenlohes im Profil nachzulesen ist. Natürlich begibt man sich in eine schizophrene Lage, über Erfahrungen zu berichten, wo man einerseits Teil eines Systems war und andererseits an diesem Kritik üben will. Aber das, was hier zu erwarten gewesen wäre, nämlich eine Selbstreflexion, kommt in einer allzu plakativen Erzählweise nicht zum Ausdruck, die Schilderung der eigenen Vorgehensweise gerät so grob, dass man tatsächlich den Eindruck gewinnt, Tester wären allesamt unsensible, korrupte und rücksichtslose Spesenesser.

Und deshalb jetzt eine kleine Geschichte, deren Kenntnis sich aus jahrelanger Nahbeziehung zu einer Frau (Ja! Es soll auch Frauen in diesem verrufenen Metier geben!) ergibt, die in ihrem früheren Leben GM-Testerin war, die um einiges vor der Zeit des Herrn Hoffmann begonnen hat und lang lang vor der Hohenlohenschen Übernahme selbst von dannen ging. Weil es irgendwann keine redaktionelle Betreuung mehr gab. Weil der einer ehemaligen Chefredaktion zu verdankende Stil abhanden gekommen war und harsche, durchaus auch prätentiöse Subjektivität die Überhand gewonnen hatte. Aber das hätte sie niemals „Dem Tester” angelastet, sondern der mangelnden Führung. Gewiss, es war auch für sie immer schwierig, so etwas wie „Gerechtigkeit” wirken zu lassen, die Gratwanderung zwischen persönlichen Neigungen und notwendiger Objektivierung zu tun, aber es war nicht unmöglich. Wenn man sich nicht selbst wichtiger nahm als die Tätigkeit. Sie wusste um den Schaden, den frühzeitige Beweihräucherungen gerade in ländlicheren Regionen mit sich bringen, angefangen vom Stammgästeverlust. Und so dauerte es Jahre, bis sie es wagte, Ihren Lieblingswirten, zu dem sie durch eine Familienfeier geraten war, eine zweite Haube zu geben. Denn er war ihr als stimmiges und sich wunderbar entwickelndes Lokal viel zu schade für schnellen Ruhm. Sie weiß nicht, ob er jemals wusste, dass sie von Beginn an seinen Weg begleitet hatte ... das wurde nie angesprochen. Es war ihre Form der Redlichkeit. Allerdings erfuhr sie viel später über Umweg, dass der Wirt die zweite Haube schon sehr ersehnt hat. Offenbar konnte er damit dann auch umgehen. Aber dies gehört in die Abteilung „Köche”.

Was ich damit sagen will: Tester sind nicht so. Oder so. Und können auch in einem zwiespältigen System sich ihren Verantwortungsbereich sinnvoll gestalten. Aber – um dem Beitrag hier doch auch eine heitere Note zu geben: woran glaub(t)en Sie Tester erkennen zu können? Humoristische Beiträge sind ausdrücklich erwünscht.

20 Kommentare | Kommentar abgeben

Neue Kommentare

--- 04.09.18 @ 20:56
Über eine Monokultur aus Klonen künstlich geschaffener Lebewesen – über den Weinbau / PICCOLO: Aus einem alten "Spiegel" Artikel 30.10.1978 - Deutsche Winzer ziehen der Biene wegen den Zorn des Waldgängers Wellenstein auf... [mehr]

--- 04.11.17 @ 09:30
Über würdige, reife Weine / schischi: Mein persönliches Highlight - Uns hatte einmal ein Winzer, das muss so um 2010 gewesen sein, einen Weißwein... [mehr]

--- 09.10.17 @ 20:27
Was Chemtrail-Glaube und Biodynamischer Weinbau eint / OberkllnerPatzig: Feuer - Was man womöglich noch hinzufügen kann ist, dass manche Winzer, die sich rühmen,... [mehr]

--- 18.04.17 @ 12:49
Rauf die Preise! / PICCOLO: Schnell kommt man ans Bildermalen... - Doch schwer an Leute die es bezahlen. So salopp sagen, die Preise sollen rauf,... [mehr]

--- 13.10.16 @ 13:42
Rauf die Preise! / Meidlinger12: Beisl - z.b. das Quell kann noch immer das große Gulasch um 6,90 anbieten. Muß aber... [mehr]

Blogs Archiv

Peter Gnaiger's Sternen-Logbuch --- 04.08.07 @ 20:16
Tischgespräche --- 11.05.07 @ 11:48
Das Gastlog --- 04.09.06 @ 16:45
Das Weinlog --- 03.05. @ 09:33
Christoph Wagner's Weblog --- 04.02.06 @ 13:33

SPEISING Suche
suchen!
Gesamtkarte
Lokal finden
suchen!
?ber uns | Sales | Kontakt | Impressum | Presse | Partner
JPETo™ Content Management System
design by
DMC

Diese Website verwendet Cookies, um die angebotenen Services zu verbessern. Die weitere Nutzung der Website wird als Zustimmung zur Verwendung von Cookies betrachtet. Einverstanden | Mehr erfahren