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Tischgespräche

02.05.07 @ 08:59

Essen, um zu … : Exkurs zum Respekt

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Der Oberkellner hat mir die Rutsche gelegt: Viele Menschen gingen einfach nur essen, um den Hunger zu stillen. Offenbar auch die Business-Mittagesser. Weshalb mir der Respekt vor der Arbeit anderer abging. Obwohl das natürlich eine infame Unterstellung meinerseits ist, denn man kann den Respekt auch im Inneren zollen, während der Mund anderes spricht (und dabei isst).

Nun gibt es aber eine nicht unerhebliche Anzahl von Essensgehern, und da gehören die Herren in den Anzügen, so unterstelle ich schon wieder, in erster Linie dazu: die mit der richtigen Handynummer oder der richtigen Bankverbindung, die dann zusätzlich zu dem schon reichlich zu absolvierenden Restaurantprogramm auch noch zu zerpflücken beginnen: was auf den Tellern liegt. Und dabei – das beklagen mittlerweile viele Köche, daraus nährt sich auch dieser Eintrag – überhaupt nicht mehr mit Freude essen, oder meinethalben auch mit Beiläufigkeit, aber einfach essen um, ja, des Essens willen, sondern im Verlauf dieses einen Essens auch zu einem Urteil zu kommen glauben müssen. Weil nun auch die Wertung eines jeden Einzelnen zählt.

So schlüssig eine Publikumswertung auch scheinen mag, weil sie sich nicht aus einer einzigen subjektiven Tageshaltung, sondern aus der Summe vieler subjektiver Tageshaltungen zusammensetzt: es sind ja doch wieder nur g e w i s s e, die dies dürfen. Vor allem aber verleitet das Zur-Verfügung-Stellen einer solchen Möglichkeit zu einer Haltung, die sich erst recht von einer respektvollen Annäherung an das Gebotene entfernen muss, weil damit die Verführung zu einer kleinen Macht (auch Wichtigtuerei genannt) gegeben ist. Verführung: das ist das Stichwort. Verführt zum Zerklauben, verführt zur falschen Kritik, verführt zur partiellen Aufmerksamkeit, die das Gesamt – und damit den Respekt vor einer Einheit – aus den Augen geraten lässt.

Je mehr ich aber herumdenk', umso wahrhaftiger scheint mir die Essenz von Oberkellners Hinweis zu sein: Essen, um den Hunger zu stillen. Damit begebe ich mich wieder in mein augenblicklich und diesbezüglich so schizophrenes Leben.

57 Kommentare | Kommentar abgeben

piccolina, 02.05.07 @ 11:18

Dank an 5622!
Himmlisch geschrieben, herzhaft gelacht - Danke!
Ja, so einfach gehts, wie Hesse und am Ende der Autor schreibt.
Piccolo wird nicht meißeln, er wird sicher nur auf seine Website verweisen, das steht's ja drin, wie er so richtig denkt.
Ich kann eigentlich auch die Bewertungs-Manie nicht ganz verstehen und ich bedauere Köche/Köchinnen, die dadruch ständig im Leistungsstress stehen. Ist die Koch-Meister-Prüfung nicht schon arg genug? Ist die Gaststube leer, spricht sie Bände und jeder weiß, der Koch hat Dauergrippe. Wie sagte meine kochunbegabte Mutter, wenn ich nach dem ersten Bissen fragend auf sie blickte: "Iss, Kind, man kann es essen!" - Betonung auf "kann".
Ich werde jetzt meine Lieblingsfriseuse fragen, ob sie den "Goldenen Kamm" anstrebt und meinen Auto-Rudi, ob er schon einen "Schraubenzieher mit Brilli" hat für seine begnadete Phantasie, mein Auto immer wieder zum Fahren zu überreden. Immerhin ist mein "Cuxi" Bj.1989 (kein Tippfehler = 1989!)und er fährt noch... -
Das Ärgerliche an Hauben ist nur, dass der Gast für die Auszeichnung bezahlen muss, die doch eigentlich nur den Koch erfreuen soll. Ich bewundere jeden, der, von seiner Kochkunst überzeugt, auf diese Haubenjagd verzichtet und auf seine Gäste vertraut, die ihn mit jedem Wiederkommen direkt und ehrlich auszeichen! - Wie wär's mit einem "Goldenen Tellerchen" für treue Gäste?

5622, 02.05.07 @ 09:33

uiuuuuuuiiiiiiiiii!!!
jetzt wirds wieder heiß und ich seh im gedanken schon piccolo vor mir wie eine rede in granit auf die speising-homepage meisselt...

für mich stellt sich zu diesem thema eigentlich nur eine einzige frage: warum muss ein restaurant überhaupt bewertet werden. wer nahm sich von wem irgendwann das recht, sich als weltlicher gott aller köche aufzuspielen? frisöre kriegen von niemand "kämme" verliehen, mechaniker keine "schraubenzieher" und ärzte keine "spritzen". aber die köche hecheln ihren sternchen, häubchen, gabelchen und sonst was hinterher. warum reicht unseren köchen nicht ein blick in ihre gaststube, um herauszufinden, ob sie gute oder schlechte arbeit leisten?

Und was unsere lieben testesser betrifft, möcht ich noch einen auszug aus einem meiner lieblingsgedichte über die menschliche Bedingtheit von heinrich heine zitieren:
"Der Mensch, der hat nur einen Mund
Weil zwei Mäuler ungesund
Mit dem einen Maule schon
Spricht zu viel der Erdensohn
Wenn er doppelmäulig wär -
fräß und lüg er auch noch mehr

Hat er jetzt das Maul voll Brei
Muss er schweigen unterdessen
Hätt er aber Mäuler zwei -
Dann lüge er sogar beim Fressen"

wenn es noch wen interessiert und weil es thematisch Bestand eines früheren Blogs war: der schlusssatz des gedichts lautet folgendermaßen:

"Was dem Manne dient zum Seichen -
Damit schafft er Seinesgleichen"

schön, gell: wenn man hin und wieder aufs wesentliche hingewiesen wird
meint euer

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