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Das Weinlog

15.09.04 @ 02:19

Ich bin ein Primitiver

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Der Name "Primitivo" ist mir, ehrlich gesagt, immer schon sympathisch gewesen. Ein primitiver Wein muss kein schlechter sein, habe ich mir schon als Gymnasiast gesagt, der in der Wachauer Weinstube (zu Linz) seinen Zöbinger trank, und dem es (allein schon wegen des dazu servierten Beuschls um 10 Schilling, das Achtel kostete damals 6 Schilling) ziemlich wurscht war, ob der Wein aus der Wachau kam oder nicht. Ich habe ihn heute noch auf der Zunge, obwohl er (so wie ich ihn auf der Zunge habe) leider völlig ausgestorben ist.

Es liegen fast 35 Jahre zwischen meinem Zöbinger/Wachauer Primitiven und dem Primitivo, den mir Mino Zaccharia vor zwei Jahren im Ambassador servierte. Es handelte sich um ein Gewächs namens Graticcaia, das, wie ich mich informierte, so etwas wie der "Amarone von Apulien" und alles andere, nur nicht primitiv ist. (Weshalb man ihn im Ambassador auch schon lange nicht mehr bekommt; ich habe alles ausgetrunken.)

Primitiv sind eher schon die kalifornischen Zinfandel-Weine. Mein liebster stammt von Ridge-Vineyards, und als ich ihn am Gut vor nun auch schon wieder fünfzehn Jahren zum ersten Mal verkostete, hätte ich an alles gedacht, nur nicht daran, dass es sich um einen Primitivo handeln könnte.
Ein Primitivo, sagen die Weinweisen, die sich naturgemäß auch im Besitze ampelographischer Untersuchungen befinden, sei genau dasselbe wie ein Zinfandel. (Womit das Problem, ob der Zierfandler etwas mit Zinfandel zu tun habe, endgültig gelöst ist; denn ein Zierfandler ist weder ein primitiver Wein noch ein Primitivo.)

Heute habe ich jedoch keinen Zierfandler und auch keinen Graticcaia vor mir stehen, sondern eine, obendrein wunderschöne Flasche Ognissole Primitivo di Manduria 2002. Sie stammt von meinem kampanischen Lieblingsweingut Feudi di San Gregorio, das auch den besten Greco del Tufo anbietet (für Interessenten: Man bekommt diesen fabulösen Weißwein vom Rücken des Vesuvs auch im "Il Primo" in der Wiener Operngasse).

Doch nun zum Primitivo Ognissole. Das Primitive daran ist, dass er zunächst ein wenig an den Geruch von vorweihnachtlichen Bastelstunden erinnert. Da ist ein bisschen Laubsäge, ein wenig Leim, ein Alzerl Weihnachtspusch und meiner Meinung nach auch etwas Uhu-Alleskleber mit im Spiel. Doch diese Reminiszenzen verfliegen rasch, und was bleibt, das bleibt auch — am Gaumen hängen.

Ein bisschen schwerzüngig wird man davon, aber gleichzeitig auch gesprächig, was eine gefährliche Mischung ist, da dabei, wenn die falschen Leute zuhören, leicht die Wahrheit herauskommt.

Erst sagt man sich: Nein, das ist ein Wein, der wird heute nicht mehr zugänglich sein, den trinken wir morgen weiter. Doch während man das sagt, wird er immer zugänglicher, verlockender und verführerischer. Und, wie der Teufel und seine (bocksfüßigen) Helferlein so spielen, ist die Flasche nach einiger Zeit dennoch leer, und wir werden nie mehr wissen, wie der Wein morgen und um wieviel besser er möglicher Weise in Zukunft geschmeckt hätte.

Doch drauf geschissen: Genau das ist ja der Grund unserer, respektive meiner Primitivität.

P.S.: Dem Prozess am Areopag sehe ich gelassen entgegen. Wenn einer der Speisinger es schafft zu organisieren, dass mir statt dem üblichen Schierlingsbecher ein Gläschen Primitivo gereicht wird, wäre ich allerdings sehr dankbar.

-cw

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