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Das Weinlog

24.10.04 @ 19:20

Wogenrain und Donaustrom. Eine Verkostung

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Eines meiner liebsten, weil noch am natürlichsten gebliebenen Weinbaugebiete ist der Wagram. Der Jahrgang 2003 bedachte die Veltlinerproduktion des „Wogenrains” einerseits mit sehr viel Sonne und günstigen Voraussetzungen, barg aber andererseits auch die Gefahr, dass statt schlanken, eleganten „Veltlinersuppen” zustande kamen. Wie die besten Güter dieser Region das Problem gelöst haben, versuchte ich unlängst, in einer Vertikale zu erkunden. (Liebe Kollegen von T-Mobile, entschuldigt bitte die Länge, aber wen´s interessiert, der wird, hoffe ich, schon weiter klicken.)

Weingut Bauer, Großriedenthal
Grüner Veltliner 2003 Hinternberg: Da purzeln sie einem ja geradezu in den Mund, die sauren Drops, die meine Frau mir immer anbietet, wenn ich mit ihr in den Musikverein gehe und gerade von einer Weinverkostung komme (ein Angebot übrigens, bei dem ich besser daran tue, es nicht abzulehnen). Man merkt trotz des trockenen Ausbaus, dass bei Bauer Süßweine in hohem Ansehen stehen. Dass hier nur mit wirklich vollreifem Traubenmaterial gearbeitet wird, ist deutlich spürbar, das gewisse Zuckerspitzerl leider auch.

Weingut Josef Bauer, Feuersbrunn
Grüner Veltliner Rosenberg 2003: Seine Pforte scheint ein Geheimnis zu umgeben, und öffnet man sie nur einen Spalt, so duftet es wie in einer Occitane-Boutique. Sogar einen Hauch Rosmarin denkt man zu erschmecken und ganz generell glaubt man, in Grasse und nicht in Feuersbrunn zu sein. Werden Parfums und Weine einander tatsächlich immer ähnlicher? Tatsächlich haben ja beide den Alkohol gemeinsam. Wäre dies ein Parfum, es wäre ein exquisites, doch ist es zweifelsfrei Wein, und als solcher durchaus groß.

Weingut Leopold Blauensteiner, Gösing
Grüner Veltliner Rassing Reserve 2003; ein Veltliner, der sich bei aller Elaboriertheit auch den Mut zum Bäuerlichen bewahrt hat. Das bedeutet keineswegs, dass er unelegant ist; aber ihn nicht interessiert nicht die breite, güldene Straße des Erfolgs, er ist mehr an den Winkeln und Nischen des Innehaltens und Wartens interessiert. Da schwimmt manche ruppige Pfirsischschale gegen den Fruchstrom, doch dann bündeln sich wieder irrlichternde Geschmackspartikel aus dem Kräutergärtlein zum wohl duftenden Bukett. Und die Stromschnellen einer erfrischenden Säure lassen den Veltlinerfluss niemals träge werden.

Weingut Josef Ehmoser, Tiefenthal
Grüner Veltliner Aurum 2003. Ehmoser, der Kaiser von Kalifornien, pardon: der König der Wagramer Weingoldsucher, ist seinen Kollegen gerne eine Nasenspitze voraus, in diesem Fall vielleicht auch eine Nasenspitze von Begleittönen (angenehmen und nicht ganz so angenehmen) zuviel. Das ist ein Wein, der tief in den Boden schürft und an der (wie versprochen goldenen) Oberfläche wiedergibt, was im Boden ist. Wo kein Gold ist, wird auch der Colorado River keines zutage fördern. Und im Aurum ist viel (Arbeit, Mühe, Zeit, Charakter, ja, und vor allem auch Wein). Gold mag er bringen, dem Winzer sei´s gewünscht. Es schillert an der Oberfläche, im tiefen Grund fand ich´s dieses Jahr jedoch nicht.

Weinbau Familie Fritz, Zaussenberg
Grüner Veltliner Gondwana 2003; nicht dass ich mich von Namen beeinflussen ließe; aber Gondwana, das klingt, was immer es tatsächlich bedeuten mag, buddhistisch, und der Wein duftet auch ein wenig nach Tempelbezirk, nach Räucherstäbchen und allerlei Aromen, die ich im Wein nicht wirklich suchen würde, eher schon in der Badewanne. Nach einer Zeit verfliegt das aber, und übrig bleibt ein breit strömender, vollmundiger Wein, nicht ohne ein gewisses sakrales Element. Kein beschwingter Wein, keiner der zum Parlieren, Musizieren und Mitsingen einlädt. Aber ein Wein wie ein Monolith, mächtig, unverwechselbar - und letztlich unvergesslich.

Weinhof Franz und Gertrude Grill. Fels am Wagram
Grüner Veltliner Runa 03: Ein Wein, in dem die Zunge gerne schwimmt, der aber auch nicht mit Fülle spart und die Geschmacksknospen gerne ungefragt überschwemmt. Er hinterlässt einen langen, nachhaltigen Eindruck, vor allem eher an der Breit-, und weniger an der Schmalseite der Geschmackswerkzeuge. Doch es ist ein Wein zum Schleckern und Zungenspitzeln, ein freudvolles, fast erotisches Getränk, mit dessen Genuss man nicht so gerne Schluss macht.

Qualitätsweinbau Güntschl, Gösing
Grüner Veltliner Reserve 2003: Bei der ersten Begegnung mit diesem Fluss hat man gar nicht soviel Lust hineinzuspringen. Allzuviel Schlamm führt er mit sich, und man weiß nicht so genau, woher er kommt. Es riecht ein bisschen stechend; die Strömung ist gewaltig, gewiss, doch man zögert sich ihr anzuvertrauen; dann kostet man von dem Nass, lässt sich in den Sog ziehen, holt tief Luft - und bleibt letztlich doch ein wenig ratlos.

Weingut Leth, Fels am Wagram
Grüner Veltliner Scheiben 03: Ein sehr hellgrüner Veltliner, der im Gegensatz zu manch anderen gar kein Goldweinchen sein will, es aber gleichwohl ist. Ein Wein mit viel Licht, das kaum einen Schatten aufkommen lässt. Ein Frühabendwein, den man aber auch schon beim nachmittäglichen Picknick gern im Korb hat. Manche quirlige Stromschnelle bringt Leben in den Fluss. Und was bleibt, ist das nachhaltige Gefühl, einer starken Persönlichkeit begegnet zu sein, die selbstbewusst genug ist, die ganze Welt zu umarmen und dabei dennoch oder gerade deswegen stets sie selbst bleibt. Ein Wein zum Träumen, aber keiner zum Einschlafen.

Winzerhof Franz Anton Mayer, Köngigsbrunn am Wagram
Grüner Veltliner Zenit 2003: An der Pforte herrscht weihevolle Stille. Es tut sich nicht viel. Ist man aber erst einmal im Inneren angelangt, so lässt sich der Gemüsekeller neben dem Weinkeller nicht ganz verleugnen.

Weingut Mehofer - Neudeggerhof, Neudegg
Grüner Veltliner Wadenthal 03: Strenges, elegantes Bukett bei üppiger, fast barocker Frucht; ein Wein, der zum Zungenspiel einlädt; die Konsistenz ist fast sämig, die Farbe von einem unbestechlichen Gelbgrün, durchsichtig und filigran wie Schmetterlingsflügel; ein Wein, zu dem Beethoven seine Pastorale komponiert haben könnte. Ein ernster Wein, gleichwohl; das Knollenvolk der Bauern bleibt draußen; die Anakreontiker sind gefordert.

Weinbau Familie Reinberger. Grafenwörth
Grüner Veltliner Reserve 2003: Ried Fruchtikus. Da tut einer alles (möglicherweise sogar etwas zuviel), um den Unterschied zwischen Wein und Fruchtsaft zu verwischen. Dennoch ein schöner Tropfen von verhaltener, aber tragfähiger Säure und wuchtigem Schwall. Ein Wein, der blüht, und, wäre man eine Biene, zum Einstimmen in den Summ-Chor einlädt.

Weingut Salomon. Oberstockstall
Grüner Veltliner Maulbeerpark 03: Ein Wein von feinwürziger, zarter Säure; nicht eben ein filigraner Wein, aber auch kein Veltliner-Maelstrom der vereinnahmenden Art; ein Wein für den frühen Abend, bei Sonnenuntergang zu trinken. Man spürt den Duft von feuchtem Laub und frischer Petersilie, wie bei einem Spaziergang durch ein Klostergärtchen, bei dem man nicht unbedingt das Brevier lesen muss, sondern vielleicht lieber ein paar Gedichte von Ringelnatz oder Morgenstern.

Weingut Schuster. Großriedenthal
Grüner Veltliner Valvinea 03: Der Eintritt in einen Hain; etwas feierlich, nicht wirklich beschwingt; das Aroma einer duftenden Blumenwiese, fließend, die Farbe von frisch aufgetragenem Blattgold, ein Wein wie ein Epos; ein Abendwein, zum Philosophieren mehr anregend als zum Trinken, mit einem an Fülle, aber auch an Süße zunehmend gewinnenden Fruchtverlauf. Ein Wein, der sich am Gaumen nicht so schnell verliert und in Nachklänge einer sentimentalen Landpartie mündet.

Weingut Söllner, Gösing am Wagram
Grüner Veltliner 2003 Goesinger Fumberg Reserve: Mit 13 Volumsprozent der alkoholärmste Wein der Verkostung, was seiner Individualität und seinem Charakter allerdings keinerlei Abbruch tut. Im Gegenteil: Hier liegt noch das für den Grünen Veltliner dereinst obligatorische Pfefferl deutlich schmeckbar über dem Fruchtschwall, und eine erfrischende Säure animiert den Trinkfluss im selben Maß, wie ihn allzu schwertönende Frucht-Cluster in anderen Weinen hemmen. Kein Wein für die großen Donauschiffe, eher einer, bei dem einem das alte Lied: „Das Schifferl schwingt si dauni vom Land, ade!” einfällt. Das Große im Kleinen. Die Anmut in der Schlichtheit.Mein Lieblingswein dieser Verkostung

Familienweingut Wimmer-Czerny. Fels am Wagram
Grüner Veltliner Felser Berg Reserve 2003: Ein besonders ehrgeiziges Gewächs und Produkt höchster Anstrengung in Weingarten und Keller, die dem Wein vielleicht ein bisschen etwas von seiner Beschwingtheit raubt. Üppig im Fruchtschwall und extrem nachhaltig im Abgang (ein Wein, der sich dem Verschwinden fast aufmüpfig widersetzt), bleibt der Strom aufgrund einiger wieselflinker Stromschnellen dennoch gut im Fluss. Und wenn man lange genug schwenkt, kostet und spült, so stellt sich vielleicht sogar die Ahnung eines Veltlinerpfefferls ein.


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