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Das Weinlog

07.11.04 @ 02:15

Ein Plädoyer für böse Weine

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Darüber, dass es gute Weine auf dieser Welt gibt, wird niemand streiten. Aber wo das Gute ist, dort muss auch das Böse seinen Platz haben. Gibt es also auch böse Weine?

So mancher wird mir antworten, es gäbe zwar keine bösen, aber selbstverständlich schlechte Weine. Das wiederum impliziert, dass ein guter Wein gut schmeckt und ein schlechter Wein schlecht schmeckt. Die Frage ist bloß: Ist ein Wein, der gut schmeckt, wirklich gut und einer, der schlecht schmeckt, wirklich böse?

Ich für meinen Teil habe schon sehr gute Weine, z.B. manche Burgunder getrunken, die mir gar nicht gut getan haben; und ich habe andererseits schlechte Weine, z.B. von der Rebsorte Vernatsch, getrunken, die mir durchaus gut bekommen sind. Auch mancher einfache dalmatinische Inselwein ist für mich vom Guten, weil er einfach und erdig ist. Dal er vinifikatorisch vielleicht schlecht gemacht wurde, schmeckt er vielleicht nicht so gut, ist aber ebensowenig böse wie der freundliche Winzer mit der Knollennase, der ihn gemacht hat.

Romanée Conti hingegen ist für mich ein böser Wein par excellence, weil er teuflisch gut schmeckt, aber so teuer ist, dass ich ihn eigentlich nicht mehr trinken mag. (Die Einschränkung, dass man sich darauf nur einladen lassen kann, unterstreicht nur das Böse an diesem Wein. Denn gute Menschen sind keine Parasiten, die sich auf einen Romanée einfach einladen lassen; sie revanchieren sich dafür zumindest mit einem Petrus.)

Auch so mancher perfekte New-World-Wein ist für mich ein böser Wein, weil er mittels der dubiosenUmkehrosmose und aller möglichen anderen technologischen Mätzchen getürkt ist. Heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Andererseits macht die Umkehrosmose einen Wein selten schlecht und oft sogar ziemlich gut. Aber sie macht ihn vor allem auch böse-

Fassen wir also zusammen: Es gibt keine wahrhaft guten und keine wahrhaft bösen Weine, es gibt nur Weine, wie es auch Menschen gibt. Wie diese sind auch Weine Wesen oder Charaktere, die sich im Spannungsfeld zwischen Gut und Böse recht gut ein- oder ausequilibriert haben:

Da ist etwa Mephisto, kein wirklich Böser, wie ihm selbst Gott im Vorspiel auf dem Theater attestiert, aber natürlich auch kein wirklich Guter. Er hat übrigens eine interessante Affinität mit Jesus Christus, dessen erstes öffentliches Wunder anlässlich der Hochzeit von Kana ein Weinwunder ist. Auch Mephisto beginnt sein magisches Wirken im Dienste des Doktor Faust nämlich auf überraschend ähnliche Weise in Auerbachs Keller.

Ein menschlicher Verwandter von Mephisto ist Shakespeare/Verdis Sir John Falstaff, der mit seinem zusammenfassenden "Tutto Nel Mondo Burla" ("Alles im Leben ist Spaß") die Erde der Ernsthaften komödiantisch implodieren lässt, ohne sich dabei auch nur im Geringsten die Mühe zu machen, zuvor das Gute zuvor vom Bösen zu scheiden.

Und wer gehört noch zu dieser zwielichtigen Verwandtschaft, die zwischen Johanna von Orleans und Richard III. irgendwo auf halber Strecke, aber keineswegs in der Mitte liegt. Natürlich Odysseus, Oskar aus der Blechtrommel, die beiden Rabelais´schen Helden Gargantua und Pantagruel, Lawrecne Sternes Tristram Shandy, Voltaires Candide, Manns Felix Krull, Brechts Mackie Messer und noch viele andere. Die närrischen Helden halt. Das gute Böse hat immer Humor. Auch beim Wein.

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