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Das Weinlog

10.11.04 @ 22:28

Wilde Buben und ein reifer Herr

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„Die wilden Buben des Hefesatzaufrührenklubs” oder auf anglo-französisch bedeutend schmissiger „The wild Boys of Club Batonnage” nennen sich fünf junge Männer aus dem Burgenland, mit bürgerlichem Namen Markus Altenberger, Florian Gayer, Gerhard Kracher, Erich Scheiblhofer und Christian Tschida und produzieren seit wenigen Jahren einen österreichischen Garagenwein. Nach dem Jahrgang 2001, der vergangenes Jahr auf Anhieb Gold auf der International Wine Challenge in London erhielt, ist aktuell der Jahrgang 2002 zum Preis von 65€ und mehr im Verkauf. Ob man bei weniger als 600 Flaschen und einigen Magnums jedoch von Verkauf sprechen kann bleibt offen.
Aus rund um den Neusiedlersee gelegenen Lagen wird der Wein (der von seinen Produzenten als „Provokation” gedacht ist) mit überreifem, ja sogar bereits teilweise eingetrocknetem aber sorgfältig ausgelesenem Traubenmaterial der Sorten Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon und Merlot hergestellt. Unter der Verwendung von 200% neuem Holz wird dann ein Wein mit 15% Alkohol und mehr gekeltert. Ja und so riecht und schmeckt der Wein dann auch.

Das festzustellen, hatte ich dieser Tage im Neusiedler Weinwerk die Gelegenheit. Diese gelungene Kombination aus Vinothek, Wein-Bar und Veranstaltungslokal wurde vor zwei Jahren eröffnet und erfreut sich seitdem reger und kontinuierlich steigender Beliebtheit. Kein Wunder, werden dort doch mehr als 350 nach strengen Qualitätskriterien ausgesuchte burgenländische Weine zu „ab-Hof” Preisen angeboten.

Doch zurück zum Wein: Üppige Süße, Lakritz, recht vordergründiges Holz, fleischige, explosive Nase nach Brombeermarmelade und Rumtopf. Am Gaumen wieder Süße, dichtes, holzgeprägtes, aber feines Tannin, likörige Frucht, dann ein Schub von Alkohol, Kaffee und Schokolade. Mehr zum Abbbeißen als zum Trinken. Ein Stil von Wein, der kaum eine Zuordnung von Sorte geschweige denn Region erlaubt und der sonst eher in Übersee beheimatet ist bzw. war. Meine Phantasie versagt bei der Vorstellung welche Art Wein nach diesen Grundsätzen wohl im Jahr 2003 produziert wurde. Absolut beeindruckend, doch der Koster bleibt an Gaumen und Kopf betäubt zurück und es fällt schwer an einen weiteren Schluck, geschweige denn ein weiteres Glas zu denken. Ich habe Freunde, die bei dieser Verkostung nicht dabei waren aber der eine hätte wohl resumiert „Hirnpröller”, der andere „Körbchengröße D+” (ich bitte in seinem Namen um Entschuldigung).
Das Motto der Erzeugergruppe lautet: „Der Verrzichtt auf Genuss kann sowohl physische als auch psychische Schäden hervorrufen.” (Orthografie (c) Batonnage). Ob damit der Genuss dieser Weinprovokation gemeint ist entzieht sich meiner Kenntniss. Vielleicht liegt’s an der Jugend des Weins oder der seiner Produzenten, vielleicht habe ich auch einfach eine andere Vorstellung von Genuss.

Wenige Stunden später unter einer Reihe von Weinen der St. Laurent 1993 von Birgit Braunstein, bzw. (wie sie wie sie sich beeilt zu versichern, ihrem Vater); in jeder Hinsicht das Gegenteil des obigen Weins. Hell in der Farbe, in der Nase helltönige und transparente Frucht, ein Hauch Himbeeren, ein Deut (attraktive!) Fauligkeit, wirkt wie ein gereifter Pinot. Auch am Gaumen eher zart aber keineswegs dünn, gute balancierte Säure, ein Andeutung von Süße, wenig, etwas mürbes Tannin, auch noch Frucht, absolut am Punkt, drängt sich nicht in den Vordergrund, wirklich elegant und fein. Und macht Freude und Lust auf mehr.

Ist der obige Wein ein muskelbepackter Halbstarker, der vor lauter Kraft kaum gehen kann, dann habe ich hier einen soignierten reiferen Herrn im Glas, mit feinem Humor und tänzelndem Schritt. So unterscheiden sich (zum Glück) die Vorstellungen von Genuss.

Zum Weiterlesen:
www.batonnage.com
www.weinwerk-burgenland.at
www.braunstein.at

11 Kommentare | Kommentar abgeben

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