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Das Weinlog

25.11.04 @ 08:58

Neues vom bösen Wein

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unser hochgeschätzter Herr BM hat vor nicht allzu langer Zeit ein Hohelied auf den "bösen Wein" gesungen. Eines der Kriterien war dabei die Exorbitanz des jeweils verlangen Preises. Hier kann ich ihm nun gar nicht beipflichten, denn das "Böse" ist doch etwas ganz und gar innerliches und der Wein als solcher erfährt keinerlei Veränderung dadurch, dass Händler und Weinliebhaber für ihn Unsummen verlangen bzw. zu zahlen bereit sind.

Vor einigen Tagen jedoch war es mir vergönnt, dem wahren Bösen tief ins Glas zu blicken. Dies passierte im Zuge einer Vertikalprobe von Château Margaux (einem Bordelaiser 1er cru classé) in der ausnehmend erfreuliche Weine aus den Jahren 1928, 1929, 1945, 1947, 1953, 1961, 1982, 1983, 1986, 1990 und 1996 zur finalen Erfüllung ihrer Bestimmung standen.

Dabei war einerseits die durchwegs beeindruckende Qualität der Weine und die überraschende (vergleichsweise) Jugendlichkeit der beiden ältesten "Teilnehmer" auffällig. Andererseits war da auch ein Wein zu verkosten, dessen Charakter sich von allen anderen deutlich unterschied.
Bei 10 der 11 Weine war mehr oder minder deutlich das festzustellen, was landläufig (?) als Charakter von Margaux gehandelt wird: klassische Struktur, massives aber extrem feines Tannin, perfekte Balance und klare Frucht.

Aber die elfte Fee war doch ziemlich anders:
zart flüchtige Aromen (darunter werden Noten nach Lack oder auch Essig subsummiert, die aber bei entsprechend niedriger Konzentration zur Komplexität und Ausdruckskraft des Weines beitragen können), Milchschokolade, Karamell, einfach extrem aber außerordentlich verführerisch; am Gaumen deutlich feststellbare Restsüße, reife Frucht, zart Dörrobst, attraktiv, rund, ganz feines Tannin, üppig aber doch in der Balance, langer Zug, klingt süß aus und hinterlässt das Gefühl eines nur eingeschränkt jugendfreier Fiebertraums.

Es handelte sich dabei um eine Flasche des Jahrgangs 1947, die im Gegensatz zu allen anderen nicht am Château sondern vom Haus Van der Meulen, dem wohl bedeutendsten belgischen Händler der damaligen Zeit abgefüllt wurde. Jahr für Jahr erwarb dieser Händler Fässer der besten bordelaiser Châteaux und füllte den Wein in Belgien in Flaschen. Dabei war es durchaus üblich, den Wein pro Barrique mit zusätzlichen 12-24Fl Portwein zu "stabilisieren". Ganz offenschmecklich war das auch hier passiert.

Und das Ergebnis war eindeutig nicht authentisch, nicht ehrlich, nicht typisch und - zumindest nach heutigen Kriterien - nicht einmal gesetzeskonform und doch: es war - böse hin oder her - ein großartiger Wein. Darüber hinaus gilt die Châteaufüllung (ohne Port) inzwischen als mausetot, was man von der Van der Meulen Füllung nun aber ganz und gar nicht behaupten kann.

Und da frage ich mich dann, ob die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Weinherstellung, die (zumindest in Österreich) weit über das hinausgehen, was bei Brot, Schnitzel und Radieschen, geschweige denn Tiefkühlpizza gefordert wird, wirklich sinnvoll sind.

Wäre es nicht eine Alternative, einfach lebensmittelrechtliche Anforderungen zu stellen und darüber hinaus nur zu verlangen, die Eingriffe und Zusätze (von Vakuumverdampfung bis Oak-Chips) am Rückenetikett zu dokumentieren? Bei manchem Weinerzeuger könnte da jedoch der Platz knapp werden.

Denn: Zählt schlussendlich im Glas irgendetwas anderes als der erlebbare Genuss?

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