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Das Weinlog
20.09.05 @ 07:56
Lesestoff
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Die Rebscheren sind gezückt, selbst dieser verregnete Sommer brächte ausreichend Gesprächsstoff für die Ergebnisse der allmählich einsetzenden Lese.
Doch nicht vom künftigen Stoff für lange Verkostungs- und Trinknächte soll die Rede sein, sondern von den Spuren, die Wein in der Literatur hinterlässt.
Zum Auftakt ein Dreierflight, der allerdings außer Wein keine Gemeinsamkeit aufweist:
- Eben erschienen, mit einer Rebschere als Corpus delicti, Eva Rossmanns neuer Krimi "Wein & Tod". Vom vielversprechenden Titel, der ausreichend poetisches Potential bietet, sollte nicht auf hochliterarische Qualität geschlossen werden, aber die Informationen zum Problembereich "Weinbau im Weinviertel" sind doch recht umfangreich ... Und für wirklich vergnüglich erachte ich die eingeflochtenen Rezepte à la "Veltlinerschwein", die auf Frau Rossmanns außerjournalistische Tätigkeit als Beiköchin in Buchingers Alter Schule zurückzuführen sind.
- Wenn in einem Buch eines deutschen Autors inmitten einer doch recht bizarren Geschichte, in der auch gerne dem Alkohol zugesprochen wird, unvermittelt Krutzlers Zweigelt auftaucht, während alles andere eher anonym getrunken wird, so freut das mein weinpatriotisches Herz. Die Hauptrolle jedoch bleibt der schönen Johanna, einem psychiatrischen Grenzfall, vorbehalten.
- Rot oder weiß ist gerne eine grundlegende Frage, ohne dass es gleich um rot-weiß-rote Herkunft gehen muss. Die Geschichten im gleichnamigen Bändchen kommen von überall her, Hemingway, Proust, Joyce ...
Ich kann Franz Schuh verstehen, der sich vor einiger Zeit zu einer kleinen Rezension hat hinreißen lassen: die dem Wein innewohnende Vielfalt findet Entsprechung in der Vielfalt im literarischen Auftritt.
Und ich gehe davon aus, dass diese Community eine recht belesene ist ...!
Rot oder weiß? Geschichten vom Wein
insel taschenbuch 2957 Insel-Verlag 2003
Helmut Krausser, Schmerznovelle.
rororo 23214 Rowohlt 2002
Eva Rossmann, Wein & Tod
Folio Verlag 2005
11 Kommentare | Kommentar abgeben
Minimalist, 23.09.05 @ 15:44
Javier Marias
(ach, das Erinnern fällt schwer).
"Alle Seelen", Klett-Cotta Stuttgart.
Ein junger Gastprofessor aus Madrid erinnert sich an zwei recht eigentümliche Jahre akademischer Arbeit und Freizeit in Oxford. Der Erzähler schildert den seltsam undurchschaubaren Betrieb an der Universität, akademische Riten, gesellschaftliche Konventionen.
Überall sieht er Nahes und Fremdes, in den Antiquariaten, wo Liebhaber des Gedruckten ihre Schrullen leben und ein schattenhaftes Dasein führen.
Dann besucht er exklusive Dinners, auf denen es seltsam steif zugeht, bis auch dort der Alkohol Geist und Körper enthemmt.
Und dabei gibt es "Einblick" in die Portwein- Und Burgunderschätze englischer Eliteuniversitäten.
pastinake, 22.09.05 @ 09:20
@Gletscherwein-Rätsel
Gestern abend kam die Erleuchtung - ausgerechnet bei einem Glas Bier! Die Spur führt wieder mal vom Wein zur Musik: Der Komponist Ernst Krenek beschreibt im Schweiz-Kapitel seiner Erinnerungen "Im Atem der Zeit" (Hoffmann & Campe 1998) unter anderem den Gletscherwein.
Kein Wunder, dass tastatour ein Deja-Vu hatte!
Minimalist, 22.09.05 @ 09:19
Andrej Kurkov
Schrullige Romane (mit sehr ernsten Kernen) mit Kolja und seinem Pinguin Mischa, einem zum Selbstmord Kolja's angeheuerten Killer, der sich nach Reue Kolja'snicht mehr abbestellen lässt (Berufsehre),....des Ukrainischen Schreibers sind oft von ukrainischem Vodka in Grammangabe durchtränkt.
Im neuesten: "Die letzte Liebe des Präsidenten". Der ukrainische Präsdent (von 2013) liebt "Portwein von der Krim" und eiskalten Weisswein aus misslungenem, stillem, Krimsekt ("Kislja").
Ich liebe Kurkov. Deutsch im Diogenes Verlag.
(der Reihe nach lesen)
noapino, 21.09.05 @ 22:40
Roald Dahl und Peter Mayle
meine unbestrittene Lieblingsgeschichte, in der Wein eine maßgebliche Rolle spielt ist, "Taste" von Roald Dahl, in der es bei recht hohem Einsatz darum geht, einen Bordeaux aus den 30-er Jahren zu erkennen.
Auf englisch kann die Geschichte gleich hier nachgelesen werden: http://tinyurl.com/8kdev
Auf deutsch und bei Amazon hier: http://tinyurl.com/bnxkx
Vor gut zwei Monaten dann einen Roman vom Beute-Provencalen Peter Mayle: „Ein guter Jahrgang”, der von einem englischen Börsenmakler handelt der ein Weingut in Südfrankreich erbt. Eine nette als Sommerlektüre durchaus geeignete, aber doch reichlich konstruierte Geschichte in der (vermeintlicher) Garagen-Bordeaux eine wesentliche Rolle spielt. Hier bei Amazon: http://tinyurl.com/9db4h
Am besten hat mir darin die Szene gefallen, in der eine junge Amerikanerin dem englischen Protagonisten vorhält, nicht ausreichend dankbar dafür zu sein, dass der europäische Weinbau durch amerikanische Unterlagsreben vor dem reblausbedingten Untergang errettet wurde.
alma, 21.09.05 @ 22:28
Wurstkathedrale
Jetzt muss ich doch noch die bewusste Stelle zitieren, sie ist zu schön:
"Die Wurstkathedrale war ein beeindruckendes Bauwerk. Violettschwarze Würste, graue, pralle Würste, kleine weiße runde, dünne rote Stränge, alles ineinandergreifend, sich übereinander türmend, eine dampfende Kirche mit Strebepfeilern und Türmen, Torbögen und Seitenschiffen, auf einer vierfarbigen Erde aus geschnittenem glänzendem Grün-, Weiß-, Rot- und Wirsingkohl."
Schwer, sich hiezu irgendeinen Wein vorzustellen!
alma, 21.09.05 @ 22:13
Berliner Weinstuben
In meinem Lieblingsbuch, Allerseelen von Cees Nooteboom, sind zwei Weinstuben Schauplatz für lange Gespräche über Philosophie, Kunst, Geschichte und so fort.
Während bei Freund Philippe weißer Chateauneuf gereicht wird, finde ich die wohlgeformten Sätze, mit welchen Herr Schultze in seiner Weinstube Wein wie zugehörige Speisen anbietet, nicht minder anregend: etwa nach dem Weg durch heftiges Schneegestöber einen "schönen, nicht näher zu beschreibenden Grauburgunder ... mit viel eingelagterter Sonne". Oder die Beerenauslese, für die die "letzten, die allerletzten Trauben, die noch am Weinstock hängen, einzeln von behutsamen Fingern gepflückt werden ... glückselige, edle Fäulnis" - und dazu für jeden ein kleines Stück Gänseleber. Doch nicht zu viel davon, denn danach folgt wahrlich Besonderes, die Wurstkathedrale. Mit Rheinwein ....
Im Glas hab ich allerdings anderes, einen Zweigelt 04 Weingut Groiß aus Großweikersdorf, bislang unberücksichtigtes Mitbringsel einer Freundin: Bioanbau. Macht sich gar nicht schlecht im Riedel-3.Wahl-Sommelier-Burgunderglas!
Minimalist, 21.09.05 @ 18:30
Buch gelesen!
Buch auch gelesen, aber..
Zur Info:
Gletscherwein - der "Sherry" des Wallis
Oberhalb von Sierre /Siders kommt aus dem Val d´Anniviers (Eifisch-Tal) der Gletscherwein (frz. Vin des Glaciers, Vin du Glacier oder Vieux Plants = Alte Pflanzen).
Traditionelle Verschnitt-Methode war früher ca. 90% Rèze mit 10% Humagne Blanc, Ermitage (Marsanne), Petite Arvine und Malvoisie (Pinot Gris). Der Rèze wurde vorgängig im Lärchen- und der Humagne im Arven-Fass ausgebaut, was zusätzliche Geschmackskomponenten erbrachte.
Heute wird der Gletscherwein zumeist aus Fendant (Chasselas) produziert und mit Ermitage und Malvoisie ergänzt. Er wird oxidativ meist in Lärchenholz-Fässern 10 bis 15 Jahre lang in einem Solera-Verfahren ausgebaut.
Die Fässer verbringen den Winter in Siders und werden nach der Schneeschmelze auf Karren nach Grimentz im Val d'Anniviers hinaufgebracht. Dort oben an schneereichen Hängen, nur noch 3 km vom Gletscher entfernt, liegen riesige natürliche Keller, wo man die Weine in Fässern, die praktisch nie vollständig geleert werden, altern lässt. Die neue Ernte füllt die Verkäufe des Vorjahrs auf und vermischt sich mit Wein aus den letzten 25 - 30 Jahren. In diesen Fässern madeirisiert der Wein zunächst und entwickelt dann den besonderen Terpentin-Geschmack, der für einen Gletscherwein typisch ist. Der helle, lohfarbene Wein gleicht nicht nur im Ausbau dem Sherry. Er hat einen hohen Alkohol-Gehalt, ein dezentes, herbes Bouquet und ist lange haltbar.
Grimentz liegt auf 1575 m ü.M. und zählt rund 450 Einwohner. Es offeriert rund 3'700 Betten in Hotels und Ferienwohnungen mit einer grossen Auswahl an Aktivitäten.
Ein guter Gletscherwein muss mindestens 25 Jahre alt sein. In Grimentz gibt es fast 60 Keller im alten Dorf, und 100 in der ganzen Gemeinde. Alle besitzen ein Fass des berühmten "Vin des Glaciers".
tastatour, 21.09.05 @ 09:39
zeug im buch
Die Frage, ob in grossartigen Büchern nur hochwertige Weine vorkommen dürfen, werden die Speisinger wohl verneinen... ?
Auch ich habe bei pastinakes Rätsel ein nebulöses Déjà-Vu. Darauf bin ich schon mal nicht unstolz.
pastinake, 21.09.05 @ 08:49
ich würde ja gerne ...
auch etwas dazu posten - aber mir fällt nichts Passendes ein! Ich bin zwar eine "1 Buch pro Woche-Leserin", aber anscheinend ist meine derzeitige Lektüre nicht sehr weinbezogen: mit Wodka oder indischem Whisky als Nebenfiguren könnte ich aufwarten ...
Eine Weingeschichte habe ich im Kopf, weiss aber weder Autor noch Titel. Daher anstelle eines Beitrages ein Literaturrätsel:
Zeit der Handlung: ca. 1920-30, Handlungsort: Deutschland-Schweiz.
in einem Kapitel wird beschrieben, wie in der Schweiz (ich nehme an: im Wallis) kleine Fässer Wein im Gletschereis vergraben und gelagert werden. Der Protagonist schwärmt von diesem Wein sehr. Das Ganze war so anschaulich beschrieben, dass es ziemlich anregend war.
profiler, 21.09.05 @ 08:27
eine flasche chambertin...
wird in friedrich dürrenmatts bemerkenswertem roman "justiz" dem mordopfer noch vor dessen ableben gegönnt. der vollständigkeit halber, gegessen wurde dazu tournedos rossini. im weiteren verlauf der sehr undurchsichtigen geschichte wird dann noch genüsslich cheval blanc geschlürft. jahrgänge werden leider keine genannt, wahrscheinlich um eine gewisse zeitlose aktualität aufrecht zu erhalten.
hoffentlich langweile ich die verehrte frau deutsch nicht mit meiner einsamen aufzählerei.
gruss
profiler, 20.09.05 @ 13:37
hermann hesses......
peter camenzind war anscheinend auch ein mensch der dem wein äusserst gerne zugesprochen hat. naturgemäss in erster linie dem schweizer wein und später dann bei seinen italienreisen den toskanern. dass er im wein, trotz geniessens, vorwiegend trost ob seiner persönlichen unzufriedenheit suchte ist nur eine facette am rande. im übrigen eines der schönsten bücher, für mich, die ich je gelesen habe.
gruss

--- 04.09.18 @ 20:56
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