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Christoph Wagner's Weblog

15.03.05 @ 14:01

Ein paar vorösterliche Gedanken über Gott und die Welt

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Seit jeher beschäftigt mich die Frage, ob es möglich sei, das Wesen von Gottes Schöpfung zu erkennen, indem man sie aufisst?

Für mich ist die Antwort ganz klar: Um an Gott und seiner Schöpfung Geschmack zu finden, muss man zunächst einmal den Geschmack Gottes ergründen. Wer Gottes Geschmack kennt, kommt ihm jedenfalls leichter auf die Schliche. Aber wer weiß schon, ob er danach an Gott und seiner Schöpfung auch noch wirklich Geschmack findet?

Gott weiß das natürlich auch. Und deswegen hat er wohlweislich das Seine dazu getan, um seinen Geschmack in den Schriften des Alten Testaments gründlich zu verklausulieren. Dabei hat er ganz klare Speisegebote aufgestellt. Doch lassen dieselben Rückschlüsse auf seinen Geschmack zu oder wollen sie einfach nur befolgt sein?

Nun gut. Versuchen wir´s einmal:

1. Gott liebt das Fleisch. Dabei könnte man aus dem Studium der Genesis leicht gerade die gegeneilige Erkenntnis gewinnen. Denn das Paradies ist vegetarisch. Alles was darin wächst, also alles Vegetarische, gestattet Jahwe Adam und Eva zu essen. Nur die Früchte vom Baum der Erkenntnis, an denen offenbar auch die Schlange interessiert ist, dürfen Adam und Eva nicht essen. Die Frage, ob es sich dabei um einen Apfel, eine Mandarine, einen Paradiesapfel oder einen Pfirsich gehandelt hat, scheint also müssig. Selbstverwständlich handelte es sich bei den Früchten des Baumes der Erkenntnis um nichts Vegetarisches, sondern um Fleisch. Gott aß es gerne, und er wollte nicht, dass man es ihm wegaß, also verbot er es. So einfach ist das. Am Baum der Erkenntnis hingen Würste, Schinkenkeulen, Saumaisen und Rippchen. So einfach war das. Und Gott fand Gefallen daran.

2. Gott liebt den Wein. Vom Wein ist im Paradies nicht die Rede. Erst nach der Sintflut, als die Menschen auch Fleisch essen dürfen, ist er plötzlich da und beschert Noah, der ihn noch nicht kennt, fürs erste einmal einen gehörigen Rausch. Dazwischen liegt die Verkündigung der Speisengebote Jahwes. Die ausdrückliche Erlaubnis, Fleisch zu essen, erteilt Jahwe der Menschheit erst nach der Sintflut.„Alles Lebendige, das sich regt, soll euch zur Nahrung dienen” (1 Mos 9, 3) ist zweifellos eine Geste der Milde, eine Konzession an die nunmehr - nach Sündenfall und Sintflut - bereits zum zweitenmal bestrafte Menschheit. Daß diese Erlaubnis zeitgleich mit dem ersten Auftreten des Weinstocks in der Bibel erfolgt, mag ein Zufall sein: In jedem Fall gönnte Jahwe Noah ausdrücklich den Braten - und schenkte ihm den Wein dazu. Aus dem himmlischen Paradies war endgültig das irdische geworden - mit allen Gefahren, die dieses auch bergen mochte. Die Frage ist lediglich, was dazu führte.

3. Gott liebt die Sünde. Genau das ist darauf die einzig mögliche Antwort. Gott, der, von Anfang an seiend, gewissermaßen naturgemäß das Gute und das Böse in sich vereint, schuf sich, ob aus Langeweile, Experimentierlust oder Bosheit, wissen wir bis heute nicht, den Menschen nach seinem Bilde. Selbstverständlich war sich Gott dabei bewusst, dass in ihm und daher auch in diesem Bilde Gutes wie Böses enthalten war.
Aus einem uns, trotz aller theologisch-philosophischer Aufarbeitung, ebenfalls bis heute noch nicht bekannten Grund setzte er sich aber, zumindest anfangs, in den Kopf, dass die von ihm geschaffenen Menschen nur den guten Teil seines Wesens erben sollten, obwohl er genau wusste, dass auch sein schlechter Kern in ihnen schlummerte.
Um letzteren gar nicht erst zu wecken, gab Gott den Menschen Vorschriften. Er versuchte sie, so gut er konnte, zum Vegetarismus anzuhalten, und er hielt den Wein und damit den Rausch von ihnen fern. Doch genau das klappte nicht. Das vorgeprägte Böse in Adam und Eva ließ sich nicht so mir nichts dir nichts hintanhalten, ebenso wenig wie offenbar der finstere Teil in Gott selbst, der sich flugs in eine Schlange verwandelte und das Unternehmen Gutmensch von vornherein zum Scheitern brachte. Gott musste also, ob er wollte oder nicht, mit den von ihm geschaffenen Menschen in weiterer Folge das Fleisch, den Wein und die Sünde teilen.

4. Was Gott noch alles liebt... So ganz und gar wollte Gott, was er liebte, mit den Menschen, die er ja nicht nur als seine Geschöpfe, sondern auch als seine Untergebenen empfand, dann wieder doch nicht teilen: Also ächtete er die Sünde ganz im allgemeinen, legte dem Weingenuss gewisse Regeln des Maßhaltens auf, indem er den nackten Noah gleich einmal zum Gespött seiner Söhne machte, und er verbot schlichtweg alle seine Lieblingsspeisen. Eine andere kausale Logik für die mosaischen Speisegebote lässt sich nämlich beim besten Willen nicht finden, obwohl Theologen, Judaisten, Ethnologen und Ernährungswissenschaftler sich an diesem Thema weiß Gott die Zähne ausgebissen haben.
Es mag banal klingen, allein: Wir können davon ausgehen, dass Gott, was er als rein bezeichnete, nicht besonders mochte, während das, was er unrein nannte, seinem Geschmack entsprach. Auf diese Weise erschließt sich durch den Geschmack Gottes plötzlich ein Menü der verbotenen Genüsse: Gefülltes Kamel, Dachsbraten, gebratener Aal, Drachenkopf, Forellen, Saiblinge, alle Krusten- und Schaltiere, Rabenragout, Heuschrecken, die feinen Geckos, Eidechsen, Salamander und so manches andere, wofür wahre Feinschmecker gewohnt sind, von weither anzureisen.

5. Aus alledem folgt: Gott ist Gourmet.

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