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SPEISING Open

08.06.10 @ 20:59

Tourismusnutten, fast überall.

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Wir Österreicherinnen und Österreicher lieben Klischees, und weil wir davon ausgehen, dass dies auch Touristen so sehen, erfüllen wir entsprechend deren Erwartungshaltung.

So haben sich überall lokale Fremdenverkehrsvereine organisiert und verteilen nach striktem Stundenplan diverse Aufgaben. So müssen zum Beispiel im alpinen Bereich die Herren jenseits der 50, die für den Rest der Welt aussehen als seien sie jenseits der 70, im Hubertusmanterl und mit Joglhut den Touristen ein „Griaßeich, woits an Schnops?!“ zujodeln, dabei den Hut heben und die Mädels mit schwieligen Fingern in die Backen zwicken. Für maximale Authentizität sorgt jeweils der lokale Zahnarzt, der den Herren hierzu ein paar Zähne aus der Kauleiste bricht. Halloredüljöh.

In Wien sind es die Zahlkellner der Kaffeehäuser, die in teuren, kommunalen Sondertrainings auf mürrisch, ang’feut und unwillig getrimmt werden. Wiener Charme will schließlich gelernt sein. So nice, so peculiar, entfährt es da Nancy Cartwright auf ihre Europe-in-three-days-Tour. Aber es geht noch mehr: Unsere Langzeitarbeitslosen werden auf einen Kutschbock gesetzt, müssen sich einen Franz-Joseph-Bart stehen lassen und leisten somit ihren Dienst an der Gesellschaft. Solidarität!
So sind wir – pfiffig, nicht?

So sind aber auch unsere Umländer, sehen wir nur nach Frankreich. Straff organisiert müssen Frühpensionisten jeden Tag auf dem Boule-Platz patrouillieren und den Touristen die von ihnen erwartete Show liefern. Mit Ekel stecken sie sich eine Caporal-Tschick ins Gesicht, rücken die kasperlesquen Mützen schräg in die Stirn, nippen mit Verachtung am Pastis und geben hochkonzentriertes Spiel vor. Aber was tut man nicht alles für sein Land …?
Besonders leid tun einem jene Mitglieder der Gruppe Baguette: Im 30-Minuten-Takt müssen sie sich jeweils in einem anderen Touristenviertel auf der Straße mit einem Baguette im Arm sehen lassen – das braucht Organisation. Und wer noch Reserven hat, schwappt am Markt immer dann eine kalt-glibbrige Auster runter, wenn gerade ein Touristenschwarm vorbeizieht. Vive la triche!

Ähnlich arm dran sind unsere italienischen Freunde. Ab April treffen sich zum Beispiel die Mitglieder des Touristenvereins „Condotti“ auf der Spanischen Treppe, sprechen sich ab und gehen mit großer Ernsthaftigkeit ihrer kommunalen Aufgabe nach: Dem Anbaggern der Touristinnen. „Und dass uns nicht eine unangequatschte Schwedin die Stadt verlässt …!“ dröhnen die Worte des Schichtführers in den Ohren der jungen Männer. „Und seht zu, dass Ihr was hermachts!“
Strengste Bekleidungsvorschriften erfüllen auch die armen italienischen Kellner: Hemdsärmel auf 2/3 raufgekrempelt, Kragen offen bis zum Hosentürl und das kleinkarierte Geschirrtuch lässig über die Schulter gelegt – so möchte das der Fremde erleben, so bekommt er es auch. Tutto per voi!

Tschechien ist diesbezüglich besonders brutal.
Mit der Bürgerpflicht, in der Touristensaison (Jänner bis Dezember) mindestens sieben große Bier in der Öffentlichkeit pro Tag zu konsumieren, rotten sich die Tschechen gerade selber aus. Wer soll dann diese Unmengen an Kuttelflecksuppe essen?

Aber regieren wirklich überall Lug und Trug? Nein, es gibt eine Insel der Ehrlichen und Wahren. Ehrlich und ohne jede Bürgerpflicht im Tourismussektor geht es nur in Castrop-Rauxel, Deutschland, zu – aber deswegen fährt ja auch keiner hin.

Gregor Fauma

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