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10.09.10 @ 14:03

Toskana: Super, supriger, Supermarkt!!!

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Noch gefühlte fünf Kreisverkehre, und man wird es geschafft haben. Rechts zieht ein gewaltiger Krankenhauskomplex vorbei, links wechseln einander Industrieparks und Reihenhäuser ab. Am Horizont glitzert das Meer. Das Navi haucht „biegen Sie jetzt rechts ab“ und der Blinker klatscht die Ankunft rhythmisch ein. Jetzt noch einen Parkplatz, nicht zu weit weg bitte vom Eingang zum Paradies, und der Urlaub kann beginnen.

Die Planungen haben ungefähr ein Jahr zuvor begonnen. Eine Bedürfnis-Matrix ergab Etruskerküste der Toskana als Ergebnis hochkomplexer Bewertungsallokationen, und einige Recherche-Nächte im weltweiten Netz später war das Ferienhaus zwischen Montescudaio und Guardistallo gebucht. Eh schön, tadellos. Wunderschöne Landschaft, klar. Das Meer? Fünfzehn Minuten Anfahrt. Das Paradies?

Man darf nicht unverschämt sein. Der Pool schön cool, die Zikaden laut in Schwaden, Eidechsen auf Mauern und Rotwein straight vom Bauern – das Paradies?
In der Klarheit des Morgens sieht man Elba und Capraia im Glitzern langsam hinter dem Dunst des beginnenden Tages verschwinden, jeden Abend verglüht die Sonne im Meer und schickt ein Farbenspiel über die Pinienwälder und Zypressenalleen, auf dass Kräuterbitter aus Sizilien die Eiswürfel im dicken Glas schmelzen lassen. Das Paradies?

Die Hitze des Tages sorgt für perfekte Trägheit im Liegestuhl, Stieg Larsson für Spannung und Mordecai Richler für bösesten Humor. Ein paar durchgekühlte, olivgrüne 0.33er-Flaschen lassen die Seiten beim Glavinic nur so rauschen und nach einem Nachmittagsschlunzi regt sich die Überlegung, was man denn abends zu sich nehmen werde. Das Paradies? Es naht.

Parkplatz gefunden, Jeton im Einkaufswagerl und die automatischen Schiebetüren öffnen sich freundlich. Das Paradies heißt Coop, der Supermarkt zu Cecina, wo Menschen mit seeligem Lächeln und glasig-glücklichen Augen lustwandeln, zärtlich Römischen Salat tätscheln und zwischen den Vitrinen der Fertiggerichte an den Fischvitrinen und Rinderhälften entlangmäandrieren. An diesem Ort des Glücks verliert man nicht viele Worte, indes sammelt man unterschiedlichste Eindrücke. Unpackbare Brotsorten stapeln sich hinter frisch gebackenen Foccacien und Pizzetten. Die Brot-Dame an der Budel fragt nach dem Zweck des Weckens und macht entsprechende Empfehlungen: Als Beilage zu gegrilltem Fisch? Nehmen Sie dieses Graue hier. Zu Rind empfehle ich das Pan´ di Montagna.
Weiter vorbei an der Vitrine mit fertigen Speisen, Beilagen und Salaten – alles in einer betörenden Optik und einer appetitlichen Verfassung, es ist zum Schreien! Vorbei an den dreiundzwanzig verschieden reifen Ricottas und achtundneunzig Pecorinos. Das Ziel ist klar, das Ziel ist die Fischbudel.

Die stummen Freunde tragen Bezeichnungen, welche die Region noch nie verlassen haben, und der Kilopreis ist in der Regel einstellig. Man kauft die fünffache Menge des Vorhabens. Ja, und die Messermuscheln tuns bitte auch noch dazu! Totano, frisch? Ideal zum Grillen? Nur hier, nur heute? Die Nachbarn haben hoffentlich auch Hunger. Zahnbrasse, groß wie ein Karpfen, das Auge klar, die Kieme rot – das must have dieses Sommers drückt die Waage durch. Für den Preis der vier Kilo Meeresfrüchte und Fische bekommt man am Naschmarkt gerade einmal eine Hand voll Tiefkühlware, aber eh frisch aufgetaut. Forget it!

Weiter zum Fleischhauer, den Mund weit offen, den Kopf verständnislos schüttelnd. Unverständnis für diese Teile vom Rind, Hochrippen, Zwischenrippen, Filets, T-Bones, alles feinst fettmaseriert, umrandelt, gereift, abgehangen und liebevoll zugeschnitten. Morgen muss Rind auf den Teller, rotes Fleisch vom weißen Rind, da führt kein Weg vorbei.

Da drängen sich aber auch schon Tauben, Wachteln und Karnickel ins Bild – gerupft, gehäutet, verpackt und bepreist. Und zwar so bepreist, dass man ein Dreierlei als Vorspeise improvisiert, eventuell mit gerösteten Pinienkernen garniert.

Voran zur Pasta, deren Sortimentsbreite das Anmieten eines kleinen Transporters für die Heimreise schlüssig scheinen läßt. „Und bring einen Salat mit“ hat man noch im Ohr, aber welchen dieser fünfunddreißig verschiedenen Sorten kann sie gemeint haben? Es hilft nichts, ein zweites Wagerl muss her, schließlich darf ja auch der Wein nicht fehlen. Das Angebot ist so sortiert, dass man selbst als Italienweinkenner kaum eine der Flaschen beim Nachnamen kennt. Das Paradies ist gut sortiert. Die österreichische Bankomatkarte wird gerne akzeptiert, die italienischen Einkaufssackerln haben ein enormes Fassungsvermögen und erschöpft aber glücklich karrt man die Errungenschaften am Rücksitz heimwärts. Der Soundtrack im Auto dazu? O Paradiso, Pavarotti, was sonst?

Gregor Fauma
www.derstandard.at

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