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SPEISING Open
17.03.13 @ 10:57
Nietzsche und die Pferdewurst (II)
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Ob in Schihütten, Dorfwirtshäusern und Stadtgaststätten, heute übernimmt die Schummelei mit Lebensmitteln die im Gasthaus ständig präsente Lebensmittelindustrie. Und das mit „wahren“ Wundermitteln, die den Wareneinsatz stets weiter minimieren.
Mehr oder weniger sind das Nahrungsmittelzusätze, völlig chemisch gereinigte Fasern, Fettstoffe und Gallerte, das gilt solange als unbedenklich, solange nichts Schädliches darüber aktenkundig ist.
Geht etwas schief, dann trifft es jeden. Die Handelsfirmen halten den Kopf hin, jammern, bezahlen die Strafe und ihre Produktscouts finden Ersatz. Denn kochen ohne zu schummeln, das geht eigentlich gar nicht. Wenn ich das schreibe, dann aus gutem Grunde.
Kein Lebensmittelskandal wird das wesentlich tiefer liegende Problem lösen.
Wir Köche müssen tun, was der Kunde von uns erwartet. Der Mensch dieser Gegenwart ist aus Zeitmangel zuerst kaum in der Lage, richtig essen zu lernen. Er glaubt den „Einspeichlern“ seiner Mundhöhle, die ihre Produktionsketten so hingebungsvoll abliefern, wie er selber ehrlich seine Arbeit. Der Techniker, Ingenieur, Arzt usw. kann es sich nicht leisten, seine Gerätschaften, Bauten und Taten so mangelhaft auszuführen, ohne schnell über kurz oder lang vor dem Kadi zu landen, wie der Bauer, Metzger, oder Koch.
Köche und Bauern und Metzger werden „gemacht“. Sie müssen ihren Abnehmern in die Hand arbeiten, wie Goldschmied, Architekt und Autobauer. Machbar machen was gewünscht wird. Und sie erschaffen sich damit die Voraussetzungen dafür, dass ihre Wunderwelten damit auch zusammenbrechen können. Sie erlernen jetzt mehrheitlich ihren Beruf, nicht wie man meint und es öffentlich dargestellt wird, aus großem Interesse (das mag bei Einzelfällen im Anfangsstadium noch stimmen), sie werden später alle den jeweiligen Geschäfts-„Verhältnissen“ angepasst. Der Bauer erbt seinen Hof, berufen oder nicht, folgt er seiner Akademie. Der Wirt lebt im Tourismusverband auf Hotelfachschulen und Degustationskursen. Glaubt und macht, was diese Zirkel ihm vorgaukeln.
Der Händler studiert seine Machenschaften und gibt sich arrogant allwissend. Sie alle fördern ein Wissen das den Kreislauf, und das Gefüge von Neid, Geltungssucht und Habgier immer stärker macht. Der Antrieb ist längst nicht mehr die angeborene Liebe zum „Gastgeben“, sondern die Produkte existenzieller Nöte, die weitab von ihnen grassieren und sie eiskalt abräumen, sobald sie nicht mitspielen können. Das Nette findet sich im Internetauftritt und am Prospekt. Die Landwirtschaft, die verarbeitenden Betriebe, der Händler, alle spüren dies wie die sprichwörtliche Faust im Nacken.
Konkurrenzdruck erhöht überall den Leistungsdruck und die kausale Kette daraus landet auf dem Teller zur Mahlzeit. Gleiches überall, im Luxusrestaurant, in der Werkskantine, an der Tankstelle und im privaten Haushalt. Eine Pokerrunde, wo jeder auf seinen persönlichen Royal Flush setzen möchte.
Es ist niemand mehr da, der sich einen radikalen Ausstieg leisten kann. Wir können träumen, aber die Träume enttäuschen, sobald man am Boden der Wirklichkeit tritt. Die Köche-Berater im gewerblichen Supermarkt sind gewiss sehr gute Fachkräfte, können ihren Beruf und beten doch nach, was ihnen die „Faust im Nacken“ vorpredigt. Wenn eine Kontroll-Institution einen Skandal aufdeckt, dann ziemlich lange danach, wenn schon viele Tonnen des beanstandeten Materials verspeist wurden. Schlimmstenfalls auch wenn Tausende Konsumenten bereits vergiftet sind.
Der Stil unserer Kochkunst hat leider alle Parallelen zu diesem Verhalten in sich. Dem Sternekoch werden seine Gerichte genauso vorgeschrieben wie dem Kantinenpächter einer städtischen Müllabfuhr. Aussehen ist alles, wenn man die Bilder sieht. Ausgerichtet auf Effekt wird der Nahrungsmittelwert völlig außer Acht gelassen. Wo sonst käme denn das nach früheren Bewertungsstufen eingestufte Material zum Einsatz? Wer kauft jetzt das PSE Fleisch wirklich, PSE steht für minderwertige, blass und wässrige Qualität bei Schweinefleisch. DFD nennt sich dies beim Rind. D -Dark, F -Firm, D -Dry.
Da lässt uns doch jeder Pferdefleisch-Burger kalt. Das kann nur zur Aufbesserung geschehen sein. Denn das eigentliche Fleisch ist möglicherweise zu feucht, zu trocken und zu fest gewesen um daraus ordentliche Wurst zu machen. In die Dauerwurst Wild zu mischen war lange üblich, weil das magere Wild die Reifung und Lagerung fördert. Ebenso Pferde- und Eselsfleisch.
(Teil III folgt dieser Tage)

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