Home | Blogs | Das Weinlog | 27.09.04

Das Weinlog

27.09.04 @ 08:38

Weinbauten – ein Versuch

Kommentar abgeben

ausblendenSie müssen eingeloggt sein um diese Option zu nutzen. Falls Sie noch nicht Mitglied von SPEISING.NET sind, können Sie sich hier registrieren.

vor einigen Tagen hatte ich den Genuss und das Vergnügen an einer Weinprobe teilzunehmen, in der (halb blind) Weine von Château La Fleur Petrus (Pomerol) gereicht wurden.
Es ging reichlich apollonisch zu (Mänaden ließen sich zu meinem Bedauern keine blicken), dennoch wurde es ein interessanter Abend, nicht zuletzt da in der angeregten Diskussion einer der Teilnehmer begann, einen der Weine nach Kriterien der Architektur einzustufen.

Nachfolgend ein diesbezüglicher Versuch ausgedehnt auf alle an diesem Abend präsentierten Weines dieses Châteaus (in der Reihenfolge, in der sie serviert wurden):

La Fleur Petrus 2000
klar lässt sich das Bemühen um kolossale Ganzheitlichkeit erkennen. Breitere und rundere Formen dominieren. Intensiver Gebrauch von plastischen Zierelementen und dekorativen Ausschmückungen. Klar von einer dramatischen Steigerung zur Mitte charakterisiert. Ein Wein der den Trinker voll und ganz gefangen nimmt. Und einmal hatte ich sogar eine Andeutung von Putte in der Nase.
– Ganz eindeutig Barock

La Fleur Petrus 1998
Etwas eigenwilliger Stil, einerseits geprägt von runden organischen Formen, andererseits auch eine gewisse Spröde ausstrahlend. Kombination von geschwungenen Linien, unregelmäßigen Grundrissen, Bruchsteinen und gestützt von markanter gemauerter Skelettstruktur.
- Ich würde sagen: Antonio Gaudí

La Fleur Petrus 1975
Massiv und fragil zugleich. Deutlich gezeichnet von der Zeit, aber klar signalisierend, dass eine Selbstaufgabe nicht in Frage kommt. Breit in den Grundfesten und nach oben verjüngend. Etwas spröde Ornamentik, aber allen Widrigkeiten zum Trotz wuchtige Präsenz. Beeindruckend.
- Was, wenn nicht eine der Maya-Pyramiden?

La Fleur Petrus 1988
Zunächst zurückhaltend und fast ein wenig abweisend. Äußerlich massiv, aber klar gegliedert und von einer fast surrealen Gesamtform. Kraftvoll und dennoch präzise strukturiert, äußerlich etwas grobe Textur; innerlich dann leicht und fein wirkend. Faszinierend.
- Die Kapelle von Ronchamp von le Corbousier

La Fleur Petrus 1964
Ein Ruine, nur einzelne Bruchstücke lassen etwas davon erahnen, wie er hätte sein können, wäre er nicht durch einen unbarmherzigen Befall von Korkschimmelpilzen restlos vernichtet worden.
- Keine Zuordnung möglich.

La Fleur Petrus 1979
Eine strenge und klassisch strenge Grundstruktur, ruhend auf einem festen Fundament, getragen von präsenter Säure und darüber doch ein etwas ausgeschmückter Abschluss. Trotz der klar erkennbaren Massivität keineswegs schwer wirkend, aber in sich ruhend und vom doch merkbaren Alter kaum beeinträchtigt.
- Der Parthenon

La Fleur Petrus 1985
In der Grundkonzeption ähnlich dem Jahrgang 1979, aber etwas spielerischer, leichter, eleganter und weniger abweisend wirkend. Auch von der Ornamentik etwas großzügiger. Sehr attraktiv und (ich getraue es mich fast nicht zu schreiben) femininer im Stil als der vorige Wein.
- Das Erechtheion (aber in weitaus besser erhaltenem Zustand)

La Fleur Petrus 1990
Auch wieder klassisch, aber diesmal weniger in der Struktur als in Form und Textur. Schmucklos und kaum Zierrat, dennoch nicht wirklich abweisend und elegant. Präziser intellektueller Stil. Eröffnet seine Qualitäten erst auf den zweiten Blick.
- Wie wär’s mit Adolf Loos?

La Fleur Petrus 1982
In seiner eleganten, etwas gereiften Art fehlt diesem Wein wohl ein eindeutig zuordenbares Stilmerkmal . Vielleicht kann man am ehesten eine oenologische Verbindung von Eleganz der Form, Selektion des verwendeten Materials, und der Bemühung um Sinnlichkeit im Endprodukt erkennen.
- Somit bleibt Art Déco

1995
Sehr ähnlich dem allerersten Wein aber noch praller und ausladender und auch etwas weicher. Mehr florales Zierrat und vielleicht doch etwas überladen. In seiner Art sicher nicht klassisch, aber es soll mir nie etwas Schlechteres unterkommen.
- Trotz der Unvergleichbarkeit schwanke ich zwischen Rokkoko und Postmoderne (ob das gegen den gewählten Ansatz spricht?)

4 Kommentare | Kommentar abgeben

Neue Kommentare

--- 04.09.18 @ 20:56
Über eine Monokultur aus Klonen künstlich geschaffener Lebewesen – über den Weinbau / PICCOLO: Aus einem alten "Spiegel" Artikel 30.10.1978 - Deutsche Winzer ziehen der Biene wegen den Zorn des Waldgängers Wellenstein auf... [mehr]

--- 04.11.17 @ 09:30
Über würdige, reife Weine / schischi: Mein persönliches Highlight - Uns hatte einmal ein Winzer, das muss so um 2010 gewesen sein, einen Weißwein... [mehr]

--- 09.10.17 @ 20:27
Was Chemtrail-Glaube und Biodynamischer Weinbau eint / OberkllnerPatzig: Feuer - Was man womöglich noch hinzufügen kann ist, dass manche Winzer, die sich rühmen,... [mehr]

--- 18.04.17 @ 12:49
Rauf die Preise! / PICCOLO: Schnell kommt man ans Bildermalen... - Doch schwer an Leute die es bezahlen. So salopp sagen, die Preise sollen rauf,... [mehr]

--- 13.10.16 @ 13:42
Rauf die Preise! / Meidlinger12: Beisl - z.b. das Quell kann noch immer das große Gulasch um 6,90 anbieten. Muß aber... [mehr]

Blogs Archiv

Peter Gnaiger's Sternen-Logbuch --- 04.08.07 @ 20:16
Tischgespräche --- 11.05.07 @ 11:48
Das Gastlog --- 04.09.06 @ 16:45
Das Weinlog --- 26.11. @ 16:09
Christoph Wagner's Weblog --- 04.02.06 @ 13:33

SPEISING Suche
suchen!
Gesamtkarte
Lokal finden
suchen!
?ber uns | Sales | Kontakt | Impressum | Presse | Partner
JPETo™ Content Management System
design by
DMC

Diese Website verwendet Cookies, um die angebotenen Services zu verbessern. Die weitere Nutzung der Website wird als Zustimmung zur Verwendung von Cookies betrachtet. Einverstanden | Mehr erfahren