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Das Weinlog

28.09.04 @ 18:35

Zaghafter Versuch, über einen schönen friulanischen Merlot zu schreiben, angestellt im Palazzo Mocenigo Nero zu Venedig anlässlich der Regatta Storica am 5.9.2004 anhand einer Flasche Fraja von der Tenuta Villanova 1999

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Der erste Blick will noch nicht recht durchdringen. Mit etwas Konzentration gelingt es jedoch relativ schnell, auf den Grund der Schale zu sehen, wie auf jenen des morgendlichen, noch nicht von den Booten und Badenden aufgewühlten Meeres. Nein, dieser Wein ist nicht undurchschaubar, doch bedarf es schon eines gewissen detektivischen Verstandes, eines geübten Blicks und, soviel möchte ich vorausschicken, auch einer grundlegenden Neigung zur poetischen Interpretation des Weines, um ihn zu verstehen.

Der Wein betritt die Pforte des Gaumens auf überraschend leisen Sohlen, fast so, als hätte man ihn beim Eintreten angehalten, Filzpantoffel anzuziehen. Es duftet wie in einem mit alten, aber erst unlängst wieder einmal frisch aufpolierten Renaissancemöbeln eingerichteten Wohnzimmer. Selbstverständlich duftet es nach Holz, aber nicht nach Wald, schon gar nicht nach Harz, sondern nach Geschichte und allenfalls ein wenig Möbelpolitur.

Links und rechts des Geschmacksteppichs der Zunge sitzen die in Purpurrot gekleideten Ratsherren der Signoria. Sie sitzen auf ihren roten Kissen gut gepolstert und weich, was ihr Urteil, so hofft der Wein, vielleicht ein wenig milder ausfallen lassen wird.

Die anfängliche Spannung im Saal der Mundhöhle löst sich auch tatsächlich überraschend schnell in Harmonie und Wohlgefallen auf. Das eine oder andere Ratsmitglied möchte zu singen anheben, ein anderes gar zu tanzen beginnen; doch dann werden sie alle von den Kollegen mit den strengen, zerfurchten Gesichtern wieder an die Würde ihres Amtes erinnert und verharren weiter angemessen unaufgeregt.

Der Doge tritt ein und steigt die Stufen hinan auf seinen Thron, dessen geschwungene Stuhlbeine der Weinfluss inzwischen bereits umspült. Der Doge taucht seinen Kelch in die purpurrote Flüssigkeit, freut sich an der Farbe, die jener seiner Amtsrobe zum Verwechseln ähnlich ist und führt den Becher an den Mund.

Während des Kostens merkt der Doge, dass der Wein den Saal der Signoria schon soweit gefüllt hat, dass er den Ratsherren bis an die Lenden reicht. Also stellt der Doge, dessen Beine der Wein auf seinem hohen Podest eben erst bis zu den Fußfesseln umspült, den Kelch zur Seite, legt langsam und bedächtig seine Amtstracht ab und wagt, als er völlig nackt dasteht, einen lustvollen Sprung in die Weinflut.

Die Mitglieder der Signoria tun es ihm gleich, und der Saal verwandelt sich in ein Schwimmbecken voller Rotwein, in dem die Ratsherren gemeinsam mit ihrem Dogen schwimmen und schwimmen, schier endlos lange; so lange, bis sie schlussendlich das Bewusstsein verlieren und während ihres immer noch recht allmählich verlaufenden Abgangs die Überzeugung gewinnen, sie seien von der Signoria direkt in den Himmel geschwommen.

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