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Das Weinlog

26.04.05 @ 01:35

Dionysos und der biodynamische Weinbau

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Ein kleiner Ausschnitt aus dem Buch „Das Wesen des Weines", an dem ich gerade arbeite und das den Zwist des Hirngottes Apoll und des Bauch-Halbgottes Dionysos über den Wein zum Thema hat:

„Gerade in einer Zeit, in der der geschäftstüchtig-überlegte und in seiner Taktik stets geradlinig-zielstrebig vorgehende Apollo in der Weinwelt dank Techniken wie Reinzuchthefen, Umkehrosmose und Fraktionierung die Nase vorne zu haben scheint, bediente sich Dionysos zweier recht unterschiedlicher Charaktere , um in der Welt „seines” eins wieder nachhaltig mitzumischen. Die Rede ist vom Anthroposophen Rudolf Steiner, nebstbei bemerkt, eine durchaus apollinischen Denker und dem Pschoanalytiker Wilhelm Reich, der allein schon durch sein Werk über die „Sexuelle Revolution” dem dionysischen Denken wesentlich näher stand.

Beide Denker beeinflussten, jeder auf seine Weise, das, was man heute biologisch-dynamischen Weinbau nennt, und beide gemeinsam erschlossen Dionysos jenes Schlupfloch, durch das er über jenes Element, das er geschaffen hatte, wieder die Oberhand gewinnen konnte, oder zumindest eine Chance dafür sah.
Beginnen wir mit Rudolf Steiner, der dem Alkoholgenuss äußerst reserviert gegenüberstand und damit der dionysischen Rauschhaftigkeit, gewissermaßen a priori, völlig unverdächtig ist. Dennoch ist er im weitesten Sinne des Wortes als Jünger des Dionysos zu bezeichnen. Gemäß Rudolf Steiners 1924 unter dem Titel „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft” veröffentlichtem Kursus werden nämlich beim biologisch-dynamischen Anbau der Pflanzen werden auch spirituelle Dimensionen des Wachstums und Reifens wie etwa kosmische Energien und ätherische Bildekräfte bis hin zum über Kuhhornmist (keine Frage, Dionysos liebt Hörner) berücksichtigt.

Steiner sah die Erde als einen großen und vielgestaltigen Organismus, als ein Geschöpf, das nicht nur über einen materiellen, sondern auch über einen geistig-seelischen Körper verfügt.
Dieser „Körper Erde”, so Steiner, ist eingebettet in den großen Zusammenhang des Universums mit seinem kosmischen Energiefeld, mit dem wir in ständigem Austausch stehen.
Ganz ähnliche Beobachtungen machte, etwa um dieselbe Zeit auch der Philosoph, Theologe und Naturwissenschaftler Teilhard de Chardin, der dieses Energiefeld als Noosphäre bezeichnete und in ihm, etwas vergröbert gesprochen, nicht mehr und nicht weniger als den „Leib Christi” sah.

Steiner, der seine Inspirationen eher aus dem „Faust” jenes Johann Wolfgang von Goethe bezog, der die „Urpflanze” als geistiges Urbild jeder Pflanze sah, war etwas bescheidener und sagte schlicht: „Die Erde atmet.” Sie bezieht ihre kosmische Energie durch ein vor allem im Winter erfolgendes Einatmen aus dem Fixsternenhimmel, dem vom Frühjahr über den Sommer hinweg bis zum Herbstbeginn ein großes Ausatmen, kurzum: eine Zeit des Wachstums, der Blüte und der Samenreifung folgt, die aus einer kosmischen Energie gespeist wird, die keineswegs nur von materieller Substanz ist.

Dionysos sah seine Anthesterien wiederbelebt und atmete ob der Vorstellung, dass diese kosmische Energie auch im Wein gespeichert sei, auf. Diese kosmische Energie, schrieb Steiner, sei vor allem in Heilpflanzen wie Brennnessel, Schafgarbe, Kamille, Eichenrinde, Löwenzahn und Baldrian enthalten, die für eine Art von kosmischer Versorgung des Humus in homöopathischen Dosen sorgten. Nicht die Substanz dieser Pflanzen, meinte Steiner, sei wichtig, sondern ihre Information, die über Strahlungen und Schwingungen das ganze Erdreich durchwirkten. Es ist wohl auch jene Art von „Information”, die Wein und Brot während der Wandlung, um ein altes, vielfach missverstandenes Dogma der katholischen Kirche heranzuziehen, tatsächlich zum „Leib Christi” macht,

Exakt diese Information betrachtete Dionysos, der heidnische Christus, gegenüber Apoll, der „seine Information” eher im Entfachen des Lichtes der Aufklärung sah, auch als die seine.
Wilhelm Reich nannte Steiners „ätherische Bildekräfte”, die bei der Verdauung im Magen-Darmtrakt und über den Blutkreislauf in das Gehirn gelangen, wo sie über das Nervensystem bestimmte Wirkungen im emotionalen und mentalen Bereich ausüben, schlicht Orgon.

Reich lieferte damit zu Rudolf Steiners anthroposophischer Grundlagenarbeit jenen Deus ex machina, in dem Dionysos die Kraft witterte, mit seinem Widersacher Apoll endlich wieder erfolgreich in den Ring zu treten.
Doch das Orgon ist auch nicht Wilhelm Reichs Erfindung, sondern geht zurück auf Oskar Korschelt, einen 1853 in Berthelsdorf/Sachsen geborenen Chemiker, der zwischen Leipzig und Tokyo wirkteund sich zwischen 1888 und seinem Tod im Jahre 1940 intensiv mit dem „Heilmagnetismus", auch Geistheilen genannt, befasste. Nach dem Studium der einschlägigen Literatur fing er sofort an, eigene Versuche anzustellen, sprich, er begann, Kranke geistheilerisch zu behandeln. Das war kein Problem, denn in Deutschland herrschte damals noch die Kurierfreiheit. Hypnosespielereien mit Gesunden lehnte er entschieden ab.

Korschelt, ein kluger und experimentierfreudiger Kopf, sann nun wegen dieser Nachteile auf Abhilfe. Er hatte die Werke Karl von Reichenbachs studiert und verband diese Kenntnis mit dem physikalischen Wissen seiner Zeit. Hertz machte gerade Furore mit der Entdeckung der Funkwellen (UKW-Meterwellen). So kam Korschelt die Idee, einen Ätherstrahlapparat zu konstruieren. Er war der Ansicht, daß die Sonne kleinste Teilchen ausstrahlt, die im „Äther", nach damaliger Ansicht das Trägermedium der Lichtstrahlen, zur Erde gelangen. Durch entsprechende Antennen müßte es möglich sein, diese Teilchen einzufangen und nutzbar zu machen.
Systematisch untersuchte Korschelt unterschiedliche Einflußfaktoren, wie Spannung und Material. Hier erlebte er eine gewaltige Überraschung. Der Strahlapparat funktionierte auch ohne das Anlegen einer Spannung. Die Wirkung war zwar etwas vermindert, aber dennoch vorhanden. Später verzichtete er mit wenigen Ausnahmen ganz auf die Elektrizität.

Ein besonderes Objekt seiner Forschungen war das Altern von Wein und alkoholischen Getränken. Grob vereinfacht kann man die Ergebnisse wie folgt zusammenfassen: Junger Wein wurde geschmacklich durch Bestrahlungen zwischen 3 Stunden und 7 Tagen verbessert, ebenso schlechter Schnaps. Alter Wein wurde dagegen schlechter.

Seither haben sich, unabhängig von der wissenschaftlichen Bewertung der Orgonforschung, immer wieder Weinkenner dazu bekannt, dass sich die Geschmacksqualität von Wein durch energetische Information wesentlich verbessern lässt.
Einer von ihnen, und als verblendeter Esoteriker relativ unverdächtig, ist Wolfram Siebeck.
„Es ist an der Zeit, dass die Spötter das Maul halten und die Zweifler bereuen”, schrieb er in seiner „Zeit”-Kolumne. „Die Bedeutung des biodynamischen Weinbaus ist erwiesen, und sie ist groß. Viele der weltbesten Weingüter arbeiten nach der Methode, die auf den Naturphilosophen Rudolf Steiner zurückgeht und die bisher Anlass für Hohn und Spott war. Die Liste der Biowinzer ist beeindruckend: In Burgund sind es die Domainen Leroy, Comtes Lafon und Leflaive, an der Rhône ist es Michel Chapoutier, im Elsass sind es Mark Kreydenweiss, Marcel Deiss, André Ostertag und Zind-Humbrecht, und alle werden angeführt von Nicolas Joly, dem Avantgardisten des natürlichen Weinbaus”, der seine Weingärten in Coulée de Serrant an der Loire noch mit Pferden beackert und sich zwecks biodynamischer Düngung mit Hörnern eine schottische Kuhherde angeschafft hat.

Mittlerweile schwören unzählige Winzer auf die biodynamische Methode. Manche, wie etwa der Wachauer „Nikolaihof”. schmücken sich stolt mit dem „demeter”-Logo, andere, wie der Zagersdorfer Winzer Rolf Pretterebner, in Fachkreisen auch „der Druide des österreichischen Weinbaus” genannt, arbeiten einfach still und unter Inkaufnahme von wirtschaftlichen Nachteilen in der globalisierten Welt der Wein-Supermärkte nach Steiners und Reichs Erkenntnissen, sprich: nach der biodynamischen Methode. Und sie verzichten auf schnelles Geld, weil sie wissen, dass Biodynamik und Massenweinbau nach dem Vorbild der „New-World-Weine” schlicht und einfach unvereinbar sind.

Siebeck meint dazu, altersweise: „Es gibt keine andere Lösung, als alles - auch den Wein - so herzustellen, wie es vor 100 Jahren hergestellt wurde. Damals nannte man das noch nicht biodynamisch, aber es war im Prinzip dasselbe. Deshalb müssen wir keineswegs auf unsere gewohnten Gifte verzichten. Die vereinigten Nahrungsmittelproduzenten werden schon dafür sorgen, dass die Verfallsdaten in den Jahren liegen, in denen unsere Enkel einst in Rente gehen werden.”

Dionysos, der Organisator wilder organischer Zyklen, scheint in den Schriften Steiners und Reichs eine späte Rechtfertigung zu erfahren. Und wenn er bei Steiner über die „Empfindung der Mineralien” lesen würde, dass es vom Mineral als eine Lust empfunden wird, wenn es zerspringt oder zerschlagen wird, so würde er gewiss seinen Thyrsosstab zücken, gegen den nächsten Felsen klopfen und vor lauter Freude einen Bockssprung wagen.

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