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Das Weinlog

26.05.05 @ 23:02

Gedenkjahr zum bösen Wein (Teil zwei)

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(Fortsetzung des 1. Teils)

Es könnte etwas irritieren, dass die Handelskammer plante, neben den anonym präsentierten Weinen jeder Gemeinde die „klassifizierten Gewächse” herauszustreichen, gilt doch vielen heutigen BordeauxtrinkerInnen die „Klassifikation von 1855” als geradezu prototypisch.

Wie die Kämmerer jedoch wussten, hatte es seit der Mitte des 17. Jhdts eine Reihe von auch publizierten Klassifikationen gegeben, die ihre Grundlage und ihren Zweck im florierenden Weinhandel im Médoc und Graves hatten (das rechte Ufer war in der Zeit nicht so hoch geschätzt).

Das Wesentliche all dieser Einteilungen in drei, vier oder fünf Kategorien war immer, dass sie nicht beanspruchten als Qualitätseinteilung zu dienen sondern den erzielten bzw. erzielbaren Preis für diese Weine wiederspiegelten und lediglich als Richtlinie für Händler, Broker und Châteaux-Besitzer galten sowie als Einstufung für den Zolltarif während der britischen Kontinentalblockade in den 30ern des 19. Jhdts.
Sie waren auch durchaus variabel und niemals offizieller Natur, doch die vier der ersten Kategorie waren im Jahr 1855 seit geraumer Zeit mehr oder weniger unumstritten: Lafite, Latour, Margaux und Haut-Brion.

Ab dem Ende des 18. Jhdts fanden die jeweils aktuellsten Klassifikationen ihren Niederschlag auch in der gängigen Reiseliteratur und damit weitere Verbreitung.

Doch in den Jahren unmittelbar vor der Weltausstellung war die Klassifikation als solche ins Wanken gekommen. Dies hatte unterschiedliche Gründe, die von finanziellen Schwierigkeiten auf Haut-Brion und anderen (die Keller waren voll mit schwachen Jahrgängen), dem Aufkommen langfristiger Verträge zwischen Châteaux und Brokern, persönlichen Ambitionen und Eitelkeiten einzelner Produzenten wie von Mouton oder Armailhacq bis zum Auftreten des echten Mehltaus in der Gironde ab dem Jahr 1851 reichten. Darum schien man sich in der Handelkammer jedoch wenig zu kümmern.

Aufgrund des Fehlens einer offiziellen Liste und auch mangels detaillierter Kenntnisse des Weinhandels ging man Anfang 1855 bei den Einladungen an die „klassifizierten” Châteaux recht willkürlich vor und nachdem weniger Produzenten (und Bürgermeister) das erbetene 6-er Kistl eingesandt hatte, sogar soweit, in der örtlichen Presse einen Aufruf veröffentlichen zu lassen, doch bitte Weine für die Weltausstellung zur Verfügung zu stellen.
Dennoch konnten Ende März anstelle der erwarteten 400-500 Kisten nur 148 nach Paris versandt werden.

Erst in der Folge wurde überlegt, wie man denn in Paris die Weine geeignet präsentieren könne und erkannt, dass eine Ausstellung nahezu identer Flaschen, mit einheitlichem „Chambre-de-Commerce-Etikett”, das sich nur durch unterschiedliche Herkunftsbezeichnungen unterscheidet, dem Auge des Besuchers doch eher geringe Attraktivität bescheren könnte. So verfiel man auf die gloriose Idee, eine Landkarte der Gironde produzieren zu lassen, auf der die Weingüter eingezeichnet und der auch die Klassifikationen zu entnehmen sein sollten.

Um dem Hersteller der Karte die entsprechenden Informationen geben zu können war man also gezwungen sich erstmals genau mit der geltenden Klassifikation auseinander zu setzen und man wandte sich an die, welche um die Preise der Weine am besten Bescheid wussten: Das Syndikat der Courtiers der Börse von Bordeaux.

[Fortsetzung folgt]


Anmerkung zu einer Frage zur vergangenen Folge: Die Tatsache, dass die Handelskammer zwar bereit war, den Namen des Châteaux auf dem Etikett zu vermerken, nicht aber den des Eigentümers mag heute kurios erscheinen, war damals aber durchaus schlüssig. Denn anders als heute wurden die Weine nur zum Teil direkt vom Châteaux gefüllt, zum Großteil jedoch von unterschiedlichen internationalen Händlern, welche die Weine nachträglich noch „überarbeiteten”. So war es durchaus üblich Bordeaux (und auch Burgunder) mit Hermitage oder Anderem zu versetzen, um die Struktur zu verbessern. Dies wurde zum Teil auch auf dem Etikett vemerkt („hermitagé”).
Somit kaufte der Konsument zwar einen Margaux oder Léoville aber eben den eines bestimmten Händlers.

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