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Das Weinlog

27.06.05 @ 17:59

18 mal in der Horizontalen

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Auch wenn in diesen Tagen der Bordeauxjahrgang 2004 etwas (wenn auch auf Grund der Qualität nicht viel) mehr im Mittelpunkt des Interesses steht, so möchte ich die Aufmerksamkeit doch ein wenig auf den Jahrgang 2002 lenken, der aktuell in den Regalen zu finden sein sollte. Dazu erlaube ich mir einen - eher vom Servicegedanken - geleiteten Bericht von einer diesmal (gezwungenermaßen ;-) horizontal ausgelegten Verkostung ausgewählter Weine dieses Jahrgangs zu bringen.

Interessanterweise wird auch von deutlichen Parallelen zwischen den Jahrgängen 2002 und 2004 berichtet, wobei ersterer den Vorteil der deutlich geringeren Erträge, letzterer aber die Chance auf reifere Tannine, größere Dichte und niedrigere Säure besitzen soll.

In jedem Fall hat aber der 2002 gegenüber dem 2004 den Vorzug, dass seine Weine nicht mehr oder minder blind bestellt und zwei Jahre lang vorfinanziert werden müssen, sondern selbst gekostet und beurteilt werden können.

Zuvor kurz zum Wetter (falls es jemanden interessiert – falls nicht: auch):
Auf einen trockenen und kalten Winter folgte Mitte März eine warme Periode, Ende des Monats jedoch wieder sehr kalte Nächte. Damit ergab sich ein zeitlich ausgedehnter und uneinheitlicher Austrieb. Ähnlich war es dann auch im Mai mit einer kurzen Hitzewelle in der Mitte des Monats und gerade als die ersten Blüten zu sehen waren, wurde das Wetter kalt und regnerisch. Insbesondere die Merlots vom rechten Ufer und dort die besten Lagen mit den ältesten Reben waren davon betroffen und es kam zum Auftreten ausgedehnter Verrieselung (coulure). Die später reifenden Sorten bzw. Lagen setzten Ende Mai zur Blüte an und die höchst uneinheitlichen Wetterbedingungen führten auch dort zu einer fast über einen Monat dauernden Blüte, weiterer Verrieselung und höchst uneinheitlichem Fruchtansatz auf der Traube (millerandage).

Juni, Juli und August waren unterdurchschnittlich warm, die Niederschläge in den ersten beiden Monaten eher niedrig, im August wieder leicht überdurchschnittlich mit meist bedecktem Himmel und bis Anfang September erhöhte sich der Fäulnisdruck merkbar. Nach dem 9. des Monats jedoch änderte sich das Wetter grundlegend und war geprägt von kräftigem Wind aus Nordost, viel Sonne, warmen aber nicht heißen Tagen und kühlen Nächten.
Am 20. und 21. dann wieder wechselhaftes Wetter mit Regen in Pessac-Leognan und am rechten Ufer.
In den darauffolgenden zehn Tagen konnte die Merloternte jedoch bei erneut trockener und sonniger Witterung eingebracht werden und die besten Winzer erhielten gute Zuckerwerte, massives Tannin und hohe Säure.
Im ersten Oktoberdrittel konnten auch die Cabernets bei weitgehend trockenem Wetter geerntet werden, wobei diejenigen Winzer die etwas mehr riskierten und noch zuwarteten durch größere Reife belohnt wurden.

Nach der Lese war es entscheidend, wie die Winzer mit dem heterogenen Reifestadium auf den Trauben umgingen und nur strenge Beerenselektion bot die Chance harmonische Weine aus dem verfügbaren Material zu keltern.

Nun zur Probe (eineinhalbmal blind (*) und in Dreierflights)

Erster Flight

1. Lagrange (Pomerol) 2002 (ca. 25€)
In der Nase jugendlich (no na), dunkle Frucht, klar und recht fein, am Gaumen aber doch eher spröde Tannine, strenge Säure, etwas leicht, und trotz der Säure enttäuschend lasch. 15.0

2. Magdelaine (Saint-Emilion) 2002 (50€)
Deutliche Röstnoten, etwas likörige Frucht, leicht milchig-verwaschen. Am Gaumen mittlere Konzentration, Alkohol etwas präsent, rumpelige Tannine, wirkt zuerst extrahiert, dann in der Mitte zuwenig Druck und im Finish wieder lasch. 15.5

3. Vieux-Château-Certan (Pomerol) 2002 (60€)
Deutlich dunkelröstig, Kaffee, Bitterschokolade, recht gute dunkelbeerige Frucht, auch zart animalische Anklänge. Im Mund wieder röstig, recht gute Konzentration, auch etwas Zug, wirkt stark extrahiert und etwas gemacht, im Moment zu viel Holz, aber sonst recht okay. 16.5

Zweiter Flight

4. Belgrave (Haut-Medoc) 2002 (20€)
Fleischig, konzentriert, etwas überreife Aromen, dicht, auch zart stengelig, könnte aber etwas weniger dumpf sein. Straffes Tannin, recht gute kernige Frucht, Zug, nicht übermäßig komplex, aber doch erfreulich. 16.0

5. Kerschbaum, Impresario 2002 (33€)
Extreme, fast kitschige Frucht, etwas laut, deutlich Holz, sehr süß. Gatschige "Struktur", deutlich gekocht und zerfließend, zu viel Alkohol. Nicht mein (Bordeaux-) Geschmack. 15.0

6. Ducru-Beaucaillou (Saint-Julien) 2002 (42€)
Leicht stengelige, strenge Cassisfrucht, ätherisch, dicht, etwas Leder, zart blättrig, dann rotbeerig, bekommt auch Tiefe. Wirklich feines Tannin, sehr guter Stoff, fast seidig, klare Struktur, gute Säure, sehr guter Bogen, kein Charmebolzen aber bislang der kompletteste Wein. 17.0

Dritter Flight

7. Pape-Clément (Pessac-Leognan) 2002 (55€)
Zunächst etwas staubig, eher verhalten röstig, Bitterschokoeis, dann doch recht fein. Fleischig, zuerst etwas wenig Frucht, etwas Tee, konzentriert, geht dann auf und bietet ein wenig mehr Frucht, wirkt etwas extrahiert und (gut) gemacht, könnte aber auch fokussierter sein. 16.5
(Zumindest von mir kaum als Graves zu erkennen. Eine zweite Flache hatte deutlich mehr Frucht und war auch präziser. Vielleicht 17.0)

8. Lafite (Pauillac) 2002 (130€)
Zart faulige Noten, etwas Walderdbeeren (darf auch einmal sein ;-), auch Süße, doch auch etwas gekochte Aromatik. Am Gaumen kräftiges Holz, etwas forciert röstig, verhaltene Frucht , präsenter Alkohol, recht modern aber gute seidige Textur, etwas trockenes Finish. 17.0

9. Cos d'Estournel (Saint-Estèphe) 2002 (60€)
Eher Heidebeerfrucht, auch zart zitrus-parfumiert, etwas Yoghurt und leicht verwaschen. Kräftiges Tannin, sehr extrahiert, sehr konzentriert, einerseits aromatisch ziemlich offen, andererseits strenge Struktur und klingt etwas trocken aus. rating: 16.5

Vierter Flight

10. La Mission-Haut-Brion (Pessac-Léognan) 2002 (75€)
Leicht pilzig, faulig, sonst eher verhalten. Viel feines Tannin, straff, guter Zug, etwas aufgesetzte Säure, etwas blättrig. Eher spröde und auch zu leicht. 16.0

11. Kollwentz, Steinzeiler 2002 (45€)
Dunkle Frucht, leicht säuerlich, frisch, lebendig, vielleicht etwas limonadig. Gewürznelken, etwas artifiziell, auch fleischig, geschmortes Röstgemüse, zwar gut gemacht und einigermaßen straff, aber aromatisch sehr eigenartig, nicht mein Stil. 16.0

12. Pichon Baron (Pauillac) 2002 (40€)
Würzig, sehr dicht, extrem konzentriert, Brombeeren. Sehr gutes Tannin, viel Frucht, üppig und fast monströs, zwar modern und extrahiert, aber die Komponenten scheinen zusammen zu gehen, Potential! 18.0

Fünfter Flight

13. Mouton Rothschild (Pauillac) 2002 (140€)
Ätherisch, leicht alkoholisch, etwas dropsige Frucht, zart röstiges Holz, verführersich. Üppige Frucht, sehr feines Tannin, zunächst vielleicht etwas zu wenig Saft und Druck, feiner frischer Cabernet, dann auch ein Hauch Minze, legt im Glas zu, klar, dichter, präziser. 18.0
(Überraschenderweise keine Illy-Aromatik, sicher einer der besten Moutons seit 1986)

14. Branaire Ducru (Saint-Julien) 2002 (25€)
Etwas Anis, Oxidationsnoten, gekocht, milchig-verwaschen. Gute Konzentration, aber wieder etwas verwaschen, zumindest im Vergleich etwas simpel und leicht aber nett. 16.0

15. Palmer (Margaux) 2002 (75€)
Harzig würzig, etwas Brombeeren, ziemlich üppig, auch etwas gekocht aber dicht. Großzügige Frucht, straffes Tannin, elegant, sehr guter Zug, sehr gute Balance und verführerisch, nach einigen Minuten etwas weicher und nicht mehr so präzise. 17.0

Sechster Flight

16. Pontet Canet (Pauillac) 2002 (30€)
Klar, ein Hauch likörige Süße, sehr anziehend. Dichtes, recht feines Tannin, sehr guter Zug, nicht wirklich großzügig aber zugleich klassische und feine Stilistik. Zum Lagern in Großflaschen. 17.0

17. Latour (Pauillac) 2002 (170€)
Etwas Rauch, zart fleischig, Süße, Kirschfrucht. Gute Süße, nicht allzu viel aber feines Tannin, zart faulige Noten, sehr klar, elegant, nicht wirklich spektakulär, aber fein, wenn auch nicht auf 1er Cru Classé Niveau. 17.5

18. Léoville-Poyferré (Saint-Julien) 2002 (32€)
Zart faulig, dann etwas Pez-Wildkirsche, sehr süß. Kernige etwas säuerliche Frucht, sehr gute Struktur, straff, klar und klassisch, macht einen sauberen Mund, Claret aber nicht karg, sehr erfreulich. 17.5


Mein Resumée: Offensichtlich gibt es in der Kategorie bis 40€ einige sehr interessante Weine aber zumindest die hier gekosteten 1ers können ihren Preisabstand nicht ausreichend durch einen entsprechenden Qualitätsunterschied rechtfertigen.



ad Preise: Günstigere Endverbraucherpreise inkl. Steuern und ev. excl. Transport.

(*) "eineinhalbmal blind": Es wurde vor der Probe keine Liste der zur Verkostung stehenden Weine bekannt gegeben.

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