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Das Weinlog

14.06.05 @ 08:00

Vertikaler Horizont

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Verkosten ist wie Kreuzworträtseln, man hat die Wahl: horizontal oder vertikal.
Horizontal rätselt man sich durch die Angebotsfülle eines Jahrgangs, vertikal hingegen ist man den Geheimnissen eines Weines in seinen besonderen Jahrgangsausformungen auf der Spur.

Ich hatte vergangene Woche das Vergnügen, bei einer solchen Vertikalen von Josef Umathums St.Laurent vom Stein assistieren zu dürfen: 10 Jahrgänge zwischen 1988 und 2003, ein ebenso spannendes wie ehrfurchtgebietendes Spektrum also.

Die Lage Vom Stein ist wohl die älteste Weinlage in Frauenkirchen; mit stark kieselsteinhältigem Boden und reich an Quarz ist sie sehr trocken und heiß. Das bekommt dem St.Laurent, der zu ungestümem Wachstum neigt, sich keineswegs so geradlinig und brav wie etwa der Blaufränkische den den Drähten emporrankt; die gleichzeitige Luftigkeit der Lage beugt der rebeigenen Anfälligkeit für Botrytis vor; der trockene und gut entwässerte Boden sorgt für kleine Beeren mit dicker Haut.

Der 88er stand für sich; einem kühlen Jahr entstammend, zeigt er zarte Noblesse und eine noch erstaunliche Frische; neben einer Ahnung von Himbeeren dachte ich vor allem an ein frisch geöffnetes Döschen Bonduelle-Zuckermais.

Es folgten zwei Dreierflights aus den Neunzigern:
1990 - 92 repräsentierten die Jahre der Wegsuche, des Auslotens dessen, was diese doch etwas kapriziöse Rebsorte in unterschiedlichen Jahren zu leisten vermag. 1990, ein warmes, trockenes Jahr, bringt einen kräftigen, dunkelfruchtigen, langen und balancierten Wein hervor; 1991 beginnt spät, Hitze und Regen wechseln, die Weine sind noch lange verschlossen, und so präsentiert sich dieser Jahrgang jetzt sehr frisch, rauchig, ausgewogen. Großartig aber steht der 1992 da, aus einem hervorragenden Weinjahr: intensiv, reif, deutliche Pinot-Anklänge, weich am Gaumen und ein markantes Beispiel für gereiften St.Laurent!

1997 – 1999 wiederum stehen für die Stilfindung; man hat Sicherheit erworben, kennt die Möglichkeiten und kann auch mit schwierigen klimatischen Bedingungen gelassener umgehen: die Lust am Risiko wächst, das Zuwarten bei der Ernte beschert zwar oft große Ausfälle, aber gleichzeitig hochwertiges Traubengut.
1997, der erste große Jahrgang der neueren österreichischen Rotweingeschichte, fördert hochreife Trauben, einen hohen PH-Wert; dieser St.Laurent zeigt deutliche Brettanomyces-Noten, die am Gaumen verfliegen, da wird er dann lebendig und druckvoll. 1998 hingegen war schwierig, erst Hitze und dann, den Herbst hindurch, viel Regen; man musste früh ernten. Dennoch ein fein balancierter Wein, bereits trinkreif, mit guter Säure und vergleichsweise schlank. 1999, aus nachgerade idealem Jahr, kommt als Gaumenschmeichler daher, ganz mild und rund, eher exotisch anmutend – und wurde spontan als „feminin” beurteilt. Ach welch Frauenbild doch fest in den Köpfen der honorigen Verkoster sitzt ....!

Und dann das neue Jahrtausend: 2001 ist uns noch als medial rasch verurteilter Jahrgang in den Köpfen; und doch mochte ich diesen Wein sehr, in seiner schlanken Eleganz und seinem burgundischen Raffinement mit zarter Kräuterwürze. 2002 ist noch ein molliges Baby, viel Frucht, Blutorange ganz deutlich, dick und voll Schmelz; und 2003 lässt aus sehr kleinen Trauben und enorm früher Lese einen hochkonzentrierten Wein entstehen, schoikoladig und würzig – und vor seiner Trinkreife noch sehr sehr lange zu lagern.

So also breitet sich mit einer solchen Vertikale ein weiter Horizont aus, ein langer Blick auf die Möglichkeiten einer Lage, einer Traube und nicht zuletzt der mit dem Wein wachsende und reifende Erfahrungsschatz des Winzers.

Bemerkung zu guter Letzt: Der mir in dieser Verkostung liebste Jahrgang 1992 zeigte leichte Korknoten, es wurde eine zweite Flasche geöffnet, die dann einwandfrei war und ihr Potential freispielen konnte. Dabei waren schon zuvor von 10 Flaschen 5 aussortiert worden – wegen deutlicher Korktöne. Für Pepi Umathum ein weiterer deutlicher Anlass dafür, aktiv nach Alternativen zu suchen.

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