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Peter Gnaiger's Sternen-Logbuch

04.08.07 @ 20:16

Die bestellten Kritiken

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Nun zu meinem nächsten Thema: Die Restaurant-Kritik.
Gibt es die überhaupt in Österreich? Walter Eselböck hat vor ein paar Monaten in einem Interview in einer Zeitschrift ganz ehrlich vom Leder gezogen und behauptet, die österreichische Restaurant-Kritik liege meilenweit hinter den Kochkünsten der österreichischen Köche zurück. Ich werde ja auch fälschlicherweise immer wieder als Restaurant-Kritiker bezeichnet. Was ich natürlich nicht bin. Denn ich schreibe Geschichten über Menschen und ihren Vorstellungen mit Produkten umzugehen, versuche den Charakter des Kochs zu ergründen, seine Einstellung zum Leben. Nie würde ich Schwachsinnszeilen vom Stapel lassen wie "der Hummer an der Seite mit blabla fand Anklang in der Runde..." So etwas stammt von gratis essenden Gefälligkeits-Journalisten und ich hoffe stark, dass Eselböck diese Art von Gastro-Journalismus gemeint hat. In allzu vielen von der Convenience-Food gesponserten sogenannten Fachmagazinen liest man Gastro-Kritiken, dass einem schlecht werden möchte. Ich gebe daran zu einem guten Teil den Köchen selbst die Schuld. Sie laden sich willenlose Gschaftler zum Essen ein, die ein paar Zeilen über ihr Essen schreiben (natürlich lassen es die Köche bei solchen Einladungen krachen, bis sich die Balken biegen). Dann gibts einen gratis PR und alle sind glücklich.

Es gibt leider aber auch kaum Köche in Österreich, die eine schlechte Kritik vertragen. Das geht dann bis zum Lokalverbot. Sie sollten sich ein Beispiel an Schauspielern und Musikern nehmen. Die sind bei Kritiken hart im Nehmen. Ein Kulturkritiker hat kein Problem damit, ein Stück öffentlich "hinzurichten". Nicht dass ich den Anschein erwecken möchte, die Herren Gastro-Kritiker sollten jetzt ein paar Heilige der Küchen schlachten. Aber etwas mehr Objektivität täte dieser offensichtlich verhaberten Partie sicherlich gut. Auch soll dieser Text nicht den Anschein erwecken, ich hätte etwas gegen gratis essende Journalisten. Kein Sport-Redakteur hat jemals in einem Fußball-Stadion Eintritt bezahlt, wenn er vom Match berichtet und kein Kultur-Redakteur hat jemals seinen Herausgeber belästigt, wenn er ein Interview in Dublin mit Bono Vox machen will. Die Reise bezahlt auch Bonos Plattenfirma.

Ich halte es eher mit dem legendären französischen Restaurant-Kritiker Curnonsky. Der sagte einmal, er sei der einzige unbestechliche Gastro-Journalist, weil er wirklich nirgendwo etwas für das Essen bezahlen muss. Das gefiele mir auch ganz gut ;-))

Köche, Gäste, Schreiber - wie geht es euch mit der Gastro-Kritik. Ist sie zum Wegschmeißen oder gibt es noch Hoffnung im werbungsverseuchten Gewerbe?

71 Kommentare | Kommentar abgeben

petergnaiger, 16.08.07 @ 13:06

Vom Vollidiot zum Philosoph
Es hängt wahrscheinlich auch viel davon ab, was der Koch denn so liest. Seit mein Buch erschienen ist, haben mir allein in Salzburg mindestens zehn Köche erzählt, sie hätten ihre Küche deshalb radikal umgestellt, ihre Karte verkleinert und wieder mehr auf frische Produkte geachtet. Zuvor hielten sie es eben mit der Lektüre mancher Fachmagazine, in der ein Koch nur dann erscheint, wenn das richtige Logo des Convenience-Herstellers auf der Kochjacke zu sehen ist.

Bisher waren die Buchingers und Gössnitzers, die erkannt haben, dass man auch außerhalb des Haubenradls wunderbare Küche bieten kann, leider die Ausnahme. Jetzt werden sie gottlob immer öfter zum Vorbild genommen. Meine These lautet also: Ein Koch, der was Gescheites liest, der wird auch was Gescheites kochen. Denn das ist und war immer schon die Aufgabe von Restaurantkritikern: Zu beschreiben, zu unterscheiden und auf gesellschaftlichle Zusammenhänge hinzuweisen. Das sollten die Eckpfeiler jeder Gastrokritik sein.

Das erinnert mich auch an ein Interview, das ich kürzlich mit Ruth Reichl (ehemals New York Times, heute Gourmet Magazin) geführt habe. Die sagte: "Essen ist Moral. Da kommt heute keiner vorbei. Jeder Journalist, der in seiner Beschreibung des Geschmacks eines Hochseefischs in den Alpen ausklammert, das es sich hier inzwischen um die Förderung einer ökologisch bedenklichen Praxis handelt, ist grob fahrlässig und hat nicht begriffen, das ER mehr Verantwortung trägt, als der Koch." Schön langsam setzt sich diese Denkweise ja auch hierzulande durch. Aber vor einem Jahr galt man in der Branche noch als Vollidiot, wenn man das zur Sprache brachte.

dfw, 14.08.07 @ 15:57

objektiv
ich glaube nicht, dass es eine objektive kritik geben kann, schon gar nicht die über speisen und weine. es gibt nichts subjektiveres als den eigenen geschmack - und die genußfähigkeit. die gehört dazu.
ich bin auch patzigs meinung, je subjektiver desto lieber ist sie mir. aber nicht über "nebensächlichkeiten", wie bei manchen speisingern. mich interessiert es nicht, ob es in spillern um halb zehn uhr vormittags kein bier gibt. das lokal sperrt erst um 11 uhr auf.
eselböcks anmerkungen sind ja berechtigt. gastro-kritiker sind wie huren, nicht alle, eh klar. aber wer in der zeitung steht, ist halt die nächsten wochen voll. das war auch bei der schwarzen katze so. und je mehr hauben, desto dünner wird die luft. und desto tiefer auch der fall.

es gibt einige gute kritiker, sogar sehr gute. eine ist -ad-. ich weiss schon, ich soll das nicht schreiben. sie wird's aushalten. einige von den speisingern dürfen sie erleben, wie sie an so eine geschichte herangeht. dies ist immer von einem grossen verantwortungsgefühl getragen. weil sie weiss, was sie damit bewirken, aber auch anrichten kann. sie versteht auch was vom kochen, und wie was schmecken kann, oder könnte. deshalb sind ihre geschichten ein gewinn, für die esser und auch die köche/innen.
oder der peter gnaiger und der cw. so was les ich halt gern. das ist von mir auch subjektiv.
gastro-kritik ist mir sonst ziemlich wurscht, weil mir eh so ziemlich alles schmeckt. ich kann mir auch schwer vorstellen, dass so ein koch/köchin absichtlich was versaut.
peter gnaiger, weil du fragst: ich würde die gastro-kritik nicht wegschmeißen - die hoffnung stirbt am letzten. auch ist es manchmal ganz entspannend, blödsinn zu lesen :-)

vom piccolo kommt noch mehr, da bin ich mir sicher!!!

-ad-, 14.08.07 @ 14:53

Blood is the drug?
Ungewohnt reduziert, aber sehr treffend, ja!
Schweiß und Blut und Tränen ....

kubse, 14.08.07 @ 14:39

Blut statt Schmerz
Ich glaub, der Piccolo hat einen feinen Urlaub gehabt - toller Kommentar!

-ad-, 14.08.07 @ 14:34

Tanzmusik auf Bestellung
Ach ich weiß nicht. Oder ich bin zu naiv. Ich glaub halt, die werten Kollegen von den "Fachmagazinen", wo ja tatsächlich eher PR-Gschichteln als fundierte Kritiken entstehen, könnens einfach nicht besser. Denn ob gratis oder nicht, wer was von den Dingen versteht, entkommt seinem Wissen nicht, und das ist dann immer lesbar.

Kritik hingegen gründet auf Kenntnis der Dinge, auch auf Erfahrung. Da tut sich ein bestellter Jungspund halt schon schwer. Ich bin unlängst auf so einen Kollegen getroffen, der war so lieb in seinem Enthusiasmus, hat ganz hemmungslos in den vielfältigen Köstlichkeiten geschwelgt ( es ging dabei aber nicht um ein Einzellokal) - nur in seine Einschätzungsfähigkeit hatte ich wenig Vertrauen.

Ich halte es ja auch lieber wie der Gnaiger, ich erzähle lieber etwas. Wenn in die Erzählung ein Rat an den Koch einfließt und der dann auf Jahre beleidigt sein will, dann spricht das nicht gegen mich ;-)

@mari: die Speising-Köche sind über solche Dinge erhaben. Und der Begriff "Versager" müsste erst genauer definiert werden.

Auch unter den Privatkritikern gibt es "Versager" (da und dort auch auf speising gesichtet). Denn wenn ich in einem Posting zu einem Gasthaus/Restaurant etwas von mangelnder Kreativität lese, dann stelle ich gleich die Frage nach der Erwartungshaltung. Muss denn alles nach dem Prinzip schneller/höher/weiter gehen? Kein Wunder, dass dann merkwürdig exzessive Gerichte zustandekommen, denen jeglicher Sinn fehlt.

Als feststand, dass mein einer Lieblingswirt aufhören würde, kamen die Stammgäste und meinten: ja wir hatten eh schon das Gefühl, dass da die Luft raus ist! Und da frag ich mich schon: genügen denn hochqualitative Produkte, feinfühlige Zubereitung und überhaupt ein sehr entspannter Zugang nimmer, um zufrieden zu sein? Braucht es immer den Handstand-Überschlag?

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