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Das Weinlog

20.04.06 @ 18:26

Ameisen im Weinstock

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Ganz passend zum vorhergehenden Thread habe ich eine Geschichte über Biodynamik und Cru-Lagen parat:

Beim gestrigen Spaziergang durch Weninger-Weingärten kamen wir an einem flachen Stück zu stehen, das im Grunde recht beliebig aussah: Lehmboden, der gerade frisch aufgebrochen wurde, halbwegs alte Rebstöcke in halbwegs nahem Abstand, aber auf den ersten Blick (und bei dem späten Vegetationsverlauf dieses Jahres auch nicht verwunderlich) konnte nichts Besonderes wahrgenommen werden. Das ist Dürrau, meinte Franz Reinhard Weninger, der Junior, woraufhin sich ein überrascht-betroffenes Was, da ist nicht mehr? kaum vermeiden ließ, ist Dürrau doch die Toplage dieses Horitschoner Weingutes. Die Ameisen würden die Besonderheit dieses Platzes andeuten, meinte der Winzer lakonisch, die hier so gehäuft wie kaum sonst wo ihre Hügel bildeten, und sogar bis hinauf in die Stöcke kröchen, um kleine Behausungen zu bilden. Ja und Würmer gäbe es auch reichlich – was mit einer Handvoll durchlöcherter Erde veranschaulicht wurde, abgesehen von der Tatsache, dass der Boden viel dichter und schwerer sei als an anderen Stellen, der Traktor für die Aufbrecharbeiten in diesen Zeilen den Allradantrieb benötigte, um durchzukommen. Sicher, auch Alter der Weinstöcke und Stockdichte, sicher, aber eigentlich der Boden, der Boden sei es, der die Qualität dieser Lage ausmachte. Ja und deshalb haben sich die Weningers auch dazu entschlossen, ihren Böden insgesamt die höchste Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, alles auf biodynamischen Anbau umzustellen.

Das gilt auch für die Weingärten im benachbarten ungarischen Balf, die nach langen kommunistischen Kunstdüngungsjahren behutsam wieder zu ihrem möglichen Leben geführt werden müssen. Den Lagen dort gesteht Franz Weninger jun. großes Potential zu, und wenn man in dieser beeindruckenden Ruhe der Hänge mit Blick auf den südlichsten Teil des Neusiedlersees mit dem breiten Schilfgürtel steht, dann muss man das auch glauben.

Jedenfalls: für die Belebung der Wurzeln wird mit Brennesseltee gespritzt, die beiden biodynamischen Präparate aus Kuhhorn werden selbst gefertigt, am Kellerbau in Balf wird eifrigst gearbeitet, der soll zur nächsten Ernte stehen, und die ganze Familie ist überzeugt davon, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist: dem Boden Kraft geben und jene Informationen, die ihn wiederum befähigen, der Rebe die richtigen Informationen weiterzureichen, um das Traubenmaterial für lebendige, spannende und langlebige Weine hervorzubringen.

Der Konzentrator ist schon vor langer Zeit verkauft worden ….

9 Kommentare | Kommentar abgeben

Minimalist, 02.05.06 @ 16:19

in der Fremde
In England vergesse ich (gerne) auf meine geliebten Smaragde.
Dann kommt die Zeit der "Condrieu", weissen "Hermitage", "....,Beaucastel", "...Montrachet", "Corton Charlemagne" (nein, nicht alle auf einmal!)
Wie bei den SM, weiss ich nicht welche mit Baldriantee und Brennessel vor dem Untergang bewahrt werden.
Aber ihre füllige Eigenständigkeit reisst mich heraus aus meiner "Smaragdgewohnheit". Zurück? Sofort wird eine "Vinotheksabfüllung" aufgerissen.
Am Donnerstags gehts nach Barcelona. Ich freue mich schon auf die Chardonnay des Penedes.
Am Donnerstag darauf: nach Cormons. 7+ weisse Sorten, ein Dutzend Top-Hersteller. Biodynamisch? Ich habe keine Ahnung! Aber Tocai von V. di Romans (Isonzo) schmeckt ganz anders als jener von Borgo del Tiglio (Brazzano/Cormons).
Ich muss nicht alles wissen.

Minimalist, 02.05.06 @ 15:59

wer , wo?
das kommt davon: wenn man nicht weiss, wer man ist, vergisst man auch wo man ist?!

mykologe, 25.04.06 @ 02:01

tschuldigung, das gehört ins andere Blog.
...sorry liebe Weinfreunde!

mykologe, 25.04.06 @ 02:00

Sitzen und stehen??
Danke Piccolo für diese nüchternen Worte, aber leider stimmts, die Primitivität und Schnellebigkeit modernen Designs ist bizarr. Lokale scheinen nur mehr für sehr sporadische Zwecke zu entstehen. Jedes Altstadgewölbe beherbergt ein kleines gastronomisch - potemkisches Dörfchen. Darin ein paar Gastrofrzer die für gutes Geld nichts leisten. Aber fesche Servietten mit Familienwappen und Offset - Druck Werbung und Stühle die ihren Zweck - das angenehm Sitzen kaum treffen. Nämlcih die runden Traktorensitze machen den Hintern ganz schön "schweißeln" Vor allem wenn man etwas beleibter ist.
"CW" wir mir aus der Ferne zustimmen...wo die Sessel noch Sessel sind, gell...

PICCOLO, 23.04.06 @ 15:05

?Frage.
"Cru - Lagen".

Heisst naturbelassene Weingärten?

Großen Dank.

PICCOLO, 21.04.06 @ 22:03

@ russel : Utilarismus....
..ist nirgends so wichtig wie bei Lebensmitteln, denn Befriedigend erfolgreich kann nur sein was vielleicht auch nur vermeintlich richtig ist. Das gilt auf beiden Seiten. Bei den Produzenten und den Verbrauchern.

Russell, 21.04.06 @ 15:03

Macht der biologisch-dynamische Anbau Sinn?
(Entschuldigung, Enschuldigung! Der Beitrag erscheint selbst mir für lang, aber ich habe mindestens 20 Beiträge gut, die ich nicht geschrieben habe.)
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Ich schließe meinen Beitrag einmal hier an, obwohl er genauso gut zum vorigen Thread passen könnte, wo immerhin bereits eine Stradivari in einen systemischen Vergleich eingeschlossen wurde.
Ich beginne gleich einmal mit der Musik. Harnoncourt hat so etwas wie einen Bio-Gedanken in das Musizieren von Barockmusik eingebracht. Es ist für mich nicht ersichtlich, ob die Musik dadurch besser wird. Aber er dirigiert sie frischer und lebendiger, das muss nicht unbedingt mit alten Instrumenten zusammenhängen. Was es letztlich aber darstellt, ist ein Bemühen um Echtheit. Ein ehrliches Bemühen um Echtheit (der Ausdruck Authentizität ist bereits gefallen) wirkt veredelnd auf jedes Produkt. Über die Rohstoffe, welche in Musikinstrumente eingehen, kann man allerhand diskutieren. Selbst der Laie wird Verständnis bekunden, wenn man ihm erzählt, dass ein besseres Holz für ein besseres Klavier oder eine bessere Violine verantwortlich sein kann. Er wird sich vielleicht aber wundern, wenn man ihm erzählt, dass auch besserer Schrott einen besseren Flügel erzeugen kann. (Ist aber tatsächlich so: die Schrottqualität, welche für den Guß eines Klavierrahmens verantwortlich ist, kann denselben Rahmen ausgezeichnet oder unbrauchbar werden lassen.) Es scheint so etwas wie ein Bio der unbelebten Materie zu geben.
In der Landwirtschaft gibt es eine andere Veredelung, welche die wenigsten mit Bio in Verbindung bringen würden: vor einigen Monaten gab es in einer Rundfunk-Spezialsendung einen Bericht über den landwirtschaftlichen Anbau in Israel. Es wurde berichtet, wie mit modernsten computertechnischen Steuermethoden die Flüssigkeitsbeigabe zu optimiert werden kann, dass die Produkte mit einem Zehntel der üblich benötigten Wassermenge auskommen. Ich gehe einmal davon aus, dass hier chemisch ebensfalls zu optimieren versucht wird. Doch die Steuerung des optimalen Wasserhaushalts für die Angleichung des Wasserbedarfs halte ich für eine "saubere" Methode. Bio also. Messung von Temperatur, Trockenheit, Feuchte. Man muss wissen, dass ein Teil des gespendeten Wassers auch dazu verwendet wird, um das sich absetzende Salz von den Wurzeln zu waschen.
Was ist nicht Bio? Nach meinem Verständnis ist es die Verwendung von synthetischen, chemischen Mitteln, um irgendetwas im Leben abzukürzen. Viagra ist zum Beispiel nicht Bio, obwohl der darauf folgende Vorgang in der Regel als biologischer Vorgang bezeichnet wird. Konservierungsstoffe sind in der Regel nicht Bio. Sie könnten es aber sein. Wenn ich mich nicht irre, hat man früher Eier in Essigwasser eingelegt. Essig wäre der Konservierungsstoff, aber den kann man als Bio gelten lassen, weil er ohne chemische Zusatzstoffe, ausser dem was in der Luft bereits da ist, entsteht.
Da gelangen wir aber in eine gefährliche Sackgasse. Wir können nicht die Chemie an sich verteufeln. Es gäbe keinen Wein, wenn nicht bestimmte chemische Prozesse abliefen. Vor dem Fass - im Terroir - wollen wir keine Chemie außer bestimmte Säuren, die zB bereits in den Brenesseln enthalten sind, nachher sind wir aber froh, wenn der Wein überhaupt gärt.
Salopp könnten wir sagen. Wir verabscheuen es, wenn der Mensch nicht-artgerechte Chemie einsetzt. Festzustellen, wann das der Fall ist, fällt uns aber schwer. Künstlich hergestellte Ascorbinsäure wird den Skorbut genauso verhindern wie das Vitamin C aus dem Sauerkraut bei diversen Polarforschungen. Aber: die heutigen vegetabilen Gerbverfahren von Leder, von denen die Chemiker behaupten, dass sie genau der Gerbchemie vor 100 Jahren entsprechen, sind nachweislich unterlegen. Beweis gefällig? Damals blieb das Garnierungsleder (findet sich bei Klavieren in den Tasten und auch anderswo) 60-70 Jahre geschmeidig, heute wird es nach 2-3 Jahren hart. Mir konnte noch niemand erklären, warum das so ist. Das heutige Verfahren ist angenehmer, stinkt nicht so. (Nicht umsonst hat Gerhart Hauptmann eines seiner Sozialdramen, "Die Gerber", in dem Umfeld angesiedelt. Die den Gestank aushalten mussten, gehörten wirklich zu den Ärmsten.)
Mir erscheinen die verschiedenen, im bio-dynamischen Anbau versuchten Massnahmen als ein Versuch, Kräfte der Natur zu benützen, die man nicht ganz verstanden hat, von denen man aber überzeugt ist, dass sie mehr Gutes bewirken können als es der Mensch berechnen kann. Einige Phänomene hat man beobachtet und kann sie systematisch nutzen.
Die These wäre: wenn man zehn "menschliche" Verfahren einsetzt, um zehn lokale Probleme zu bekämpfen, wird man mehr unerwünschte Nebeneffekte haben, als wenn man zehn "natürliche" Verfahren einsetzt, um die gleichen zehn lokalen Probleme zu lösen. Es erscheint mir so, dass die natürlichen Verfahren von selbst in ihre Plätze in einem ökologischen System hineinfallen, wo mögliche Nebeneffekte bereits durch die Erfahrung der Natur in bezug auf Evolution und Durchsetzung herausgefiltert sind.
Die menschlichen Verfahren scheinen bisher noch immer mit unerwünschten Nebeneffekten behaftet. Das scheint auch dann wahr zu sein, wenn sich die Menschen wirklich ernsthafte Gedanken machen und gewissenhaft zu arbeiten versuchen. (Stichwort: Wildwasserverbauung)
Ich halte Bio nicht per se für gut. Es ist nur das beste, worüber wir verfügen. Wir kennen einfach zuwenig Zusammenhänge und wir tappen zu oft ins Nitrat. Das wäre ja nicht schlecht, Silber mögen wir auch. Aber Silbernitrat in den Flüssen?
Und solange wir nichts Besseres kennen, erscheint mir das Bemühen um besseren Wein mit Hilfe des biologisch-dynamischen Anbaus als folgerichtiges und legitimes Verhalten.

Minimalist, 21.04.06 @ 09:34

B-D und mondsüchtig
Sind die "Nikolaihof Weine"
http://www.nikolaihof.at/wein/biodynamischer_wein.php
besser geworden, seit er bio-dynamisch gebaut und mondsüchtig gelesen wird? Wird seither mehr verfkauft? Mehr umgesetzt?
Ich habe seit 95 keinen mehr getrunken, geniesse aber immer noch den 86, GV, "Honifogl", einen Wein der offensichtlich unendlich lang haltbar ist. Ein Highlight meines GV-Geniesserlebens.
Tipp: Die "Goiserer Mühle" hat noch ein paar Flaschen.
Im Burgund dringen (angeblich?) die Wurzeln 10m tief in den Boden und holen von dort den "Saft".
Da scheint es mir besonders wichtig, dass an der Oberflache mit Baldriantee "gepinselt" wird :-)

PICCOLO, 20.04.06 @ 23:00

Bein und Haar düngt 100 Jahr´
Der Brennesseltee oder ist es Jauche vertreibt manches Ungeziefer, Blattläuse auch. Die Ameisen können ihre "Kühe" daher nicht zum "weiden" bringen. Wenns aber dann darübergeregnnet hat kommen die Krabbler wieder.

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