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Christoph Wagner's Weblog
16.06.04 @ 17:31
Bloomsday
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Einer der berühmtesten Frühstücksköche der Literaturgeschichte ist ohne Zweifel Leopold Bloom. Der Titelheld aus James Joyce´s „Ulysses” betritt die Bühne dieseram 16. Juni 1904 spielenden irischen Comedie humaine, indem er sich keineswegs als Nachfolger des antiken Helden Odysseus, sondern vielmehr als Brutzler gegrillter Hammelnieren profiliert, die er in Butter schmurgelt und stark pfeffert, bis sie, wie Joyce nicht gerade feinsinnig schreibt, „seinem Gaumen einen feinen Beigeschmack schwachduftigen Urins vermitteln.
Da sich der Bloomsday heute zum hundertsten Mal jährt, aus gegebenem Anlass mein — gegenüber dem irischen Original leicht verfeinertes — Rezept zum Tag.
Zutaten: 4 Lammnieren, 1 mittlere Zwiebel, 1 EL Butter, 1 EL Olivenöl, eine Messerspitze Salz, Pfeffer aus der Mühle, 3 dl Madeira, 2 dl Rinderbrühe, 1 Dose Trüffelabfälle, 4 Eier, 1 EL Butter, Toasts nach Belieben
Zubereitung: Die Lammnieren so in zwei Hälften teilen, daß sie noch lose zusammenhängen. Die Zwiebel so klein wie möglich hacken. Die Lammnieren in der Butter-Öl-Mischung auf jeder Seite zwei Minuten anbraten, salzen, pfeffern und warmstellen. Im verbliebenen Fett die Zwiebel glasig dünsten und mit dem Madeira aufgießen. Solange weiterdünsten, bis die Zwiebel den Wein völlig absorbiert haben. Mit der Rinderbrühe aufgießen und dieselbe einreduzieren, bis eine sämige, dunkle Sauce entsteht. In der Zwischenzeit die Spiegeleier (wie nach obigem Rezept) zubereiten. Die Sauce mit Trüffelabfällen abschmecken. Die Saucenpfanne vom Feuer nehmen und nach Geschmack einige kalte Butterstückchen einrühren, damit sie besser bindet. Das Rührei in der Mitte eines Tellers anrichten. Die beiden Nierenhälften daraufsetzen und mit etwas Sauce nappieren. Den Rest der Sauce rund um die Eierspeise anrichten, eventuell noch einmal nachpfeffern und sofort heiß servieren.
Übrigens: Wer den intensiven Geschmack von Lamm- bzw. Hammelnieren nicht schätzt, kann diese auch durch in Milch eingelegte und danach in Scheiben geschnittene sowie mit etwas Fettrand gebratene Kalbsnieren ersetzen. Das gewisse „Bloom´sche Odeur„ läßt sich dadurch fast vollständig vermeiden.
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jamiesolive, 17.06.04 @ 13:36
Bonsai á la gourmandise
Leider ist CWs Fünfziger schon vorbei. Aber in eines seiner vielen Geburtstagsmenüs hätte eine „bonsaikiefergeräucherte chinesische Zwergwachtel mit ihren Eiern" perfekt gepasst. Dann noch ein Fingernägelchen von der mongolischen Bärentatze dazu, und das Ganze mit etwas Siebenschläferjus umgossen...
Wie dem auch sei: Die Bonsaikiefernasche gehört jedenfalls in die Liste der verbotenen Gaumenfreuden unbedingt aufgenommen!
noapino, 17.06.04 @ 13:05
Bonsai
Das mit den Wachteleiern wäre durchaus eine Überlegung wert und für ein kleines "Amuse Geule" in der Top-Gastronomie eine Überlegung wert.
Ich gebe aber zweierlei zu bedenken:
1. Ein Entenei hat ein Gewicht von ca. 65g ein Wachtelei hingegen von nur 13g. Um bei der Kenneth Loh'schen Menge zu bleiben bedeutet das, dass für die 4-6 Personen 120 potentielle Wachteln ihr halb-begonnenes Leben lassen müssten. Ob das vertretbar ist?
2. Um die Wachteleier stilgerecht herzustellen, sollte man wohl auf die Asche der Nadeln von Bonsaikiefern zurückgreifen und das werden deren Heger und Pfleger wohl nur über ihre Leichen zulassen.
andreasbigler, 17.06.04 @ 12:49
@ ich weiß ja nicht, ob ich diese Frage nicht lieber AB überlassen sollte, aber wo ich schon einmal dabei bin...
Es freut mich, wenn einige der Meinung sind, ich müsse dauernd was sagen, aber dass jetzt bereits Fragen in "Wer stellt sie - Rubriken" eingeteilt werden, ist für meinen Teil unerklärlich.
Meine Tochter hatte so eine Phase mit 5 Jahren, da hat sie sich meistens nicht nach dem WC zu fragen getraut, daher sollte ich das für sie tun....
Also Leute, fragt selbst nach dem was ihr wissen wollt, denn ich hab eh meine eigenen Fragen, daher gleich eine Frühstücksfrage: "Geht es euch auch manchmal so, dass ihr um 06:00 Uhr Speck mit Ei und ein Zwickl Seidl braucht?"
hypercube, 17.06.04 @ 12:23
Zuerst ans fell - sorry gefieder - und nun auch noch an die eier
noapino!
ich weiß, dass die Sitten unter den speisingern rau sind. ich möchte mich jedoch dafür einsetzen, dass bereits sehr unter druck stehende community members - nein nein ich meine nicht AB - nicht zusätzlich provoziert werden.
Unser allseits geliebte daisyduck hat bereits martini überlebt und sich sonst auch sehr tapfer geschlagen - ihr nunmehr auch noch die Eier aus dem Nest stehlen zu wollen, geht zu weit!
Dont go there! (wie mein irischer Kollege zu sagen pflegt).
Ich schlage vor: nimm Wachteleier dann brauchst du auch keine 50 Tage oder 1000 Jahre - die sollten wohl in 5 Minuten fertig sein.
Viel Erfolg
ChristophWagner, 17.06.04 @ 02:23
Ach, China!
Chinesen sind nicht nur erfinderisch und stetig auf der Suche nach Gaumenabenteuern, sie neigen auch zu Übertreibungen. Bis heute sind sie (bzw. ihre Übersetzer) sich beispielsweise nicht einig, ob sie lieberTausendjährige oder Hundertjährige Eier essen. Ist auch an sich egal, weil das archaische Rezept, Eier in einer Mischung aus Kalk, Holzkohlenasche, Lehm, Reisspelzen und Salzwasser zu konservieren, sowieso nur ein paar Monate benötigt. Manche meinen, es müssten genau hundert Tage sein, aus denen im Laufe der Zeit mysteriöse "hundert Jahre" wurden. Ob man die Eier nun ein paar Wochen oder ein paar Monate lagern soll, ist Sache des jeweiligen Rezepts (derer es mit Sicherheit mehr als hundert, vielleicht auch mehr als tausend gibt).
Der chemische Prozess, der sich dabei abspielt, ist in jedem Fall der gleiche. Während der Lagerung tritt eine Art Edelfäule ein, in deren Verlauf das Eiweiß durch Abbau der Enzyme gallertartig wird und, ebenso wie der Dotter, stark eindunkelt. Die Farbtöne reichen, je nach Länge der Lagerung, von bernsteinfarben über grün bis schwarz, der Geruch ist stechend, die Konsistenz des Eigelbs leicht topfig.
Diese Metamorphose wurde nicht nur von den alten Chinesen entdeckt, sondern spielt auch in der preussischen und sudetendeutschen Küche eine bedeutende Rolle, wo auf ganz ähnliche Weise lagerfähig gemachte Eier auch Sol-Eier genannt werden. Sie wurden vor allem von Arbeitern in Salzbergwerken geschätzt, die ihre „Jause" zur Lagerung einfach in Sole einlegten.
Einem Ausprobieren des Kenneth Loh´schen Rezepts steht also nichts im Wege, und ob man die Eier 14, 50 oder 100 Tage lagern soll, ist Ansichtssache.
Natürlich können Sie, lieber noapino, den Namen auch wörtlich nehmen und eine Lagerzeit von 100 oder 1000 Jahren ins Auge fassen. Sie werden damit sicher in die Geschichte der Archäologie eingehen, aber vermutlich nie erfahren, wie Ihre Eier wirklich geschmeckt haben...
16.06.04 @ 02:46
Gourmandise 2004
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Es ist die Wiederkehr des ewig Gleichent: Man trifft sich mit gourmetmäßig inklinierten Freunden, bestellt ein Menü oder bittet den Koch, einfach was zu machen, und dann wiederholt sich immer dasselbe Spiel:
Zunächst wird das Brotkörbchen samt Aufstrichen geleert, nachgebracht, noch einmal geleert etc. Dann kommen zwei zumeist kleine Gänge, es folgt der dritte Gang, und die ersten Seufzer beginnen: „Sehr viel mehr schaff ich aber jetzt nicht mehr", sagt einer (meist eine). „Du kannst ja morgen wieder laufen", muntert ein (tatsächlich meist ein) anderer wieder auf.
Es folgt der vierte Gang. „Jetzt kommt aber dann nichts mehr, hoffentlich", heißt es dann (obwohl meist schon am Besteck ersichtlich ist, dass sehr wohl noch was kommt). „Also ich gebe jetzt WO" – „Ich laufe lieber und esse eine Woche lang Joghurt."
Es folgt der fünfte Gang. „Also, wer das noch schafft, wirklich bewundernswert." „Ich koste nur!" (kostet, und isst dann doch alles auf). — „Wir müssen ja schon fünf- oder sechstausend Kalorien gegessen haben! " — „Träumer(in), das waren mindestens zehntausend." — Also wenn jetzt noch was kommt, ich platze."
Es kommt noch was. „Bitte mir nicht!" – „Wir teilen uns den Gang." – „Darf ich DIr was rüberschieben, Schatzi!?"– „Nein, mir steht´s." — Aber niemand platzt.
Der Kellner: „Ein Dessert darf´s aber noch sein`?" – Alle unisono: „Aber bitte was Leichtes!" – Das Dessert kommt, ist eine Schokoladenmarlise oder ein Schokosoufflée mit Schoko- und/oder Vanilleeis." Es bleibt so gut wie nichts übrig.
„Da heißt es jetzt maiern." – „Ja, maiern wäre gut." – „Ich habe letztes Jahr neunzehn Kilo abgenommen." – „Beneidenswert!" — „Man maiert ja nicht um abzunehmen, sondern um sich zu entschlacken. Die Entgiftung, das ist es, worauf es ankommt, Freunde." – „Da hat er recht, meine Ärztin sagt das auch." – „Ich mag die alten Semmeln nicht." – „Und ich habe eine Milchallergie." – „Es geht auch mit Karotten, und sie erlaubt sogar Suppe." – „Echt, Suppe? Kannst Du mir den Namen Deiner Ärztin verraten."
„Jedenfalls, ab morgen: Müsli und Kraftkammer!" – „Um fünf Uhr früh bin ich in der Praterallee akkreditiert-" – „Das meinst du doch nicht ernst?" — „Doch, doch du kannst ja mitjoggen." – „Aber vorher nehmen wir noch einen Digestif?" – „Für mich bitte nicht!" – „Aber das ist jetzt auch schon egal." – „Eine Runde Gölles, oder will jemand Rochelt?" (Jeder weiß, dass Rochelt noch teurer ist und bestellt lieber Gölles). „Kinder, uns geht´s gut-" – „Soll uns nie schlechter gehen."
„Jetzt will ich aber bitte noch die Adresse von dieser Ärztin."
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alma, 16.06.04 @ 19:58
tafelrunde
Irgendwie scheint da die falsche Tafelrunde beieinandergesessen zu haben! Natürlich erreiche auch ich, wenn das Brotkörbchen wirklich aufregend ist (zum Glück nicht zu oft) und das amuse bouche nicht nur als eine Winzigkeit, sondern in Dreier- oder Vierer-Kombination daherkommt, nach der Vorspeise ein normales Sättigungsgefühl. Aber da ist der Gusto! Suppe. Zwischengericht. Fischgericht teilen. Der Koch hat einen Einfall, außertourlich. Köstlich! Hauptgericht. Käse muss sein. Süßes aber auch. Und weil die Gänseleber oder die Spinatknödel von der Vorspeis so gut waren, gibt's zum Schluss noch eine Draufgab' davon. Jössas, ganz vergessen, die hausgemachten Pralinen. Selbst wenn der Erfahrungswert "verzichtbar" lautet, gekostet worden sind sie allemal noch.
Eigentlich weiß man ja vorher, was nachher auf einen zukommt, inklusive aller Draufgaben - welches Gewissen soll dann diese ganze Jammerei beruhigen?
Ich frühstücke dann am nächsten Tag nicht. Aber eigentlich frühstücke ich so gut wie nie.
(Im übrigen wiege ich nur knapp mehr als die Hälfte meines getreuen Tischgefährten.)
andreasbigler, 16.06.04 @ 08:26
Vollkommen richtig......
Dieses Posting könnte auch nach dem ca. tausendsten Interview mit den diversesten Gästen entstanden sein.
Spätestens jetzt sollten auch jene, die nur dann zufrieden sind, wenn die Teller völlig überladen werden, wissen wieso die Portionen bei mehrgängigen Menüs so "klein" gehalten werden - weil man mengenmäßig mindestens zwei über den Tellerrand hängende "Bröselteppiche" verdrückt hat!
LG
Andy Bigler
p.s.: Riesling Smgd - Kellerberg 1998 vom F.X. Pichler, ein wunderschöner Wein, aus einem angeblich "nicht so guten" Weinjahr!
Sorry, auch ich erlaube mir "Mediales" zu konsumieren, allerdingst meistens erst dann, wenn niemand mehr danach schreit..

--- 04.09.18 @ 20:56
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Christoph Wagner's Weblog --- 04.02.06 @ 13:33
