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Christoph Wagner's Weblog

17.06.04 @ 17:24

Kulinarisches Oberösterreich (Rettet den Kobernaußer Wald)

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Eine Katastrophe bahnt sich, wie ich auf www.orf.at gerade lese, in meiner Heimat an, wo sich die Wildschweine am südlichen Rand des Kobernaußerwaldes zu einer regelrechten Landplage entwickeln. In der Gemeinde Pöndorf ziehen sogar immer wieder ganze Rotten von Wildschweinen durch die Wälder und verursachen auf angrenzenden Feldern Flurschäden. Fazit: Landwirte und Jäger stöhnen, sind aber fast machtlos.

Vielleicht mangelt es den OÖlern aber auch nur an geeigneten Rezepten, um dieses Problem zu lösen. Immer nur Wildschwein im Wurzel- oder Wacholderrahm ist einfach zu fade, um des Problems Herr zu werden. Ich darf mich daher als eine Art fünfzehnter Nothelfer und somit als St.Coquinarius der heimischen Forstwirzschaft anbieten und ein Rezept unterbreitet, mit dem sich die Rotten sicher bequem reduzieren lassen:

DAUBE DU SANGLIER
PROVENCALISCHER SCHMORTOPF VOM WILDSCHWEIN/ Für 6 Personen

Zutaten:
1500 g Wildschweinfleisch aus Schulter oder Keule
200 g Räucherspeck
8 Schalotten
4 kleine Karotten
1 Bouquet garni (Kräutersträußchen im Gazesäckchen)
1 Lorbeerblatt
2 Nelken
Muskat
4 Wacholderbeeren; zerdrückt
einige Pfefferkörner
750 ml Gigondas
100 ml Rotweinessig
3 Knoblauchzehen
Schale einer unbehandelten Orangenschale
300 ml Wildfond oder Rinderbrühe
3 EL Olivenöl
200 g Schwarze Oliven
Salz und Pfeffer

Zubereitung
Wildschweinfleisch grobwürfelig schneiden. 4 Schalotten halbieren, Karotten putzen und in feine Scheiben schneiden. Fleischwürfel gleichmäßig in einem geeigneten Gefäß verteilen und mit Wein und Essig aufgießen. Bouquet garni, Lorbeerblatt, Nelken, Wacholderbeeren, Muskat und Pfeffer hinzufügen, das Gefäß abdecken und über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen. Tags darauf die Fleischstücke einzeln aus der Marinade heben, auf Küchenkrepp gut abtropfen lassen und zum Schluß noch einmal einzeln trocken tupfen. Speck und restliche Schalotten in kleine Würfel schneiden. In einem Schmortopf im Öl leicht anbraten, Fleischstücke mit den Schalotten zugeben und alles scharf anbraten. Die Marinade mitsamt allen Zutaten dazugießen sowie zerdrückten Knoblauch und klein geschnittene Orangenschale zugeben. Bei Bedarf soviel Wildfond oder Brühe nachgießen, daß das Fleisch gerade bedeckt ist. Flüssigkeit zum Kochen bringen, Deckel aufsetzen und im auf 150°C vorgeheizten Herd vier bis fünf Stunden schmoren. Kurz vor Ende der Garzeit die entkernten und halbierten Oliven hinzufügen und noch kurz mitschmoren. Das Fleisch, das mit frischen Teigwaren, Polenta oder Stangenweißbrot serviert werden kann, muß beim Servieren so weich sein, daß man es mit dem Löffel zerteilen kann.

Und noch ein Tpp: Den Gigondas könnt ihr, liebe Landsleute, auch durch einen schönen Blaufränkisch und, wenn´s im Kobermaußerwald gar nicht anders gehen sollte, unter gewissem Geschmacksverlust auch auch durch einen guten Birnenmost ersetzen.

5 Kommentare | Kommentar abgeben

ChristophWagner, 19.06.04 @ 01:22

Donatus, sitz!
Die Debatte, ob Donatus tatsächlich ein unmittelbarer Nachfolger Donars sein mag, ist mir ebenso bekannt wie die Tatsache, dass Donatus auch "der (von Gott) Geschenkte)" bedeutet. In der modernen Volkskunde gibt es eine ideologisch durchaus sympathische Strömung, die sich dagegen wehrt, wie die meisten pseudo-wissenschaftlichen NS-Altvorderen alles auf heidnisch-germanische Wurzeln zurückzuführen, was zwar naheliegend, aber nicht hundertprozentig nachweisbar ist. (Ich denke da etwa auch an die Debatte um die angeblich heidnische Herkunft des Kärntner Vierbergelaufs, doch auch das ist ein anderes, durchaus nicht unkulinarisches Thema.)

Dennoch wird man um das Wesen der Volksetymologie nicht ganz herumkommen, wie etwa auch die Quelle
www.kirche-im-bistum-aachen.de/kiba/opencms/traeger/4/pfarre-st-martinus-heimbach-hergarten/kirche/index.html
belegt.

Wie komplex das Thema ist, beweist freilich auch die Tatsache, dass die erste Eintragung, die man beim Googlen zur Eintragung "donar donatus" liest, sich auf ein Listing von Hundenamen bezieht (www.welpen.de/hundenamen/hundenamen_d.htm - 49k).

In diesem Sinne: "Donatus, sitz!" - und ein aus tiefstem Herzen bellendes: "Wuff wuff!"

-hs, 18.06.04 @ 19:16

Donatus und die Etymologie
die Geschichte mit dem Hl. Donatus gefällt mir außerordentlich und auch ich bin in meinem Freundeskreis durchaus berüchtigt für gewagte Theorien (so vertrete ich beispielsweise die Ansicht, dass der von mir hochgeschätzte Châteauneuf-du-Pape – übrigens ist der im obigen Rezept angeführte Gigondas ein Nachbar desselben – einen relevanten, wenn nicht gar ursächlichen Beitrag zur Entstehung der Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts dargestellt hat. Darüber vielleicht ein andermal mehr.)
Dennoch oder vielleicht gerade deshalb würde ich außerordentlich gerne etwas mehr über die Beziehung zwischen Donar und Donatus erfahren. Insbesondere deshalb, da das verdienstvolle „Deutsche Ökumenische Heiligenlexikon” hier eine andere Ansicht vertritt und den Wetterheiligen „Donatus von Münstereifel” als Katakombenheiligen aus der Via Nomentana (Katakombe der Agnes von Rom) beschreibt: http://www.heiligenlexikon.de/index.htm?BiographienD/Donatus_von_Muenstereifel.html

Untersuchungen zur etymologischen Beziehung zwischen „Re Quoquinaria” und dem französischen „coquinerie” (Bubenstück) schienen mir auch durchaus vielversprechend. Und so manchem Koch sollte diese begriffliche Nähe doch wirklich zu denken geben.

alma, 18.06.04 @ 18:24

Der Heilige
Dass es kein leichtes Leben ist, ein Heiliger zu sein, ist auf besonders berührende Art in der "Vielgeliebten" des unvergessenen Jörg Mauthe nachzulesen. Allerdings handelt es sich dort um keinen selbsternannten solchigen, während unser koketter Heiliger (oder umgekehrt??) von eigenen Gnaden wohl am liebsten jedem überflüssig wild laufenden Schweinchen persönlich sein Sanktus auf die Stirn drücken würde ;-) - ei, aber ein fröhlich' Gelage ließe sich da wohl draus machen!
Im übrigen danke ich den Herren für die vergnügliche und lehrreiche Lektüre.

ChristophWagner, 18.06.04 @ 01:37

Fackentoni und Gullinbursti
Natürlich berufe ich mich, wenn ich als präsumptiver Retter des Kobernaußer Waldes in Gestalt des hl. Coquinarius auftrete, nicht auf französische Bubenstücke, sondern auf das wunderbare Kochbuch des Marcus Gavius Apicius „De re coquinaria", das auf die neronische Epoche zurückreicht, handschriftlich aber erst aus dem 4. Jh. überliefert ist, einer Zeit also, als die Menschen sehr wohl schon wussten, was unter einer Bibel zu verstehen ist.

„De re coquinaria" ist zugegebenermaßen eine ziemlich heidnische Bibel der Kochkunst, aber sie wäre nicht das einzige heidnische Denkmal, das im Zuge der Christianisierung durch ein simples Voransetzen der Vorsilbe St. zwangsmissioniert wurde. Man denke nur an den Wetterheiligen St. Donatus, hinter dem sich in Wahrheit der heidnische Wettergott Donar verbirgt. Das wissen übrigens die wenigsten der durchwegs sehr gläubigen Winzer, die in Neckenmarkt im Sommer regelmäßig zur Donatus-Kapelle pilgern, um gegen Hagel zu beten.

So gesehen hege ich den berechtigten Verdacht, dass auch der Fackentoni nur ein nur notdürftig christianisierter Wiedergänger des germanischen Gottes Freyr (der Froh aus dem Ring des Nibelungen) ist, der einen heiligen Eber namens "Gullinbursti" besaß.

We gut es die Schweine zu heidnischen Zeiten hatten, belegt übrigens auch ein altrömischer Grabstein mit der Aufschrift: "Porcella hic dormit in pace  QVINXIT ANN.M.X.D.XIII" (Hier schläft in Frieden ein Schweinchen. Es lebte 3 Jahre, 10 Monate und 13 Tage).

In meiner Funktion als St. Coquinarius bin ich jedoch zuversichtlich, den Schweinen (zumindest den wilden im Kobernaußerwald) ihren Schlaf schon bald geraubt bzw. sie in ewigen versetzt zu haben. Requiescant in ventre.

noapino, 17.06.04 @ 21:36

St.Coquinarius vs. Fackentoni
Dieser St. Coquinarius bereitet mir ein wenig Kopfzerbrechen. Einerseits weil ich etwas Zweifel habe ob man wirklich aufgrund eines (oder mehrerer) Bubenstücke (frz. coquinerie) im Heiligsprechungsprozess große Chancen hätte.

Andererseits ist es auch so, dass einer der vier Marschälle, die quasi als Zusatznothelfer geführt werden, nämlich Antonius der Große als Schutzpatron der Schweine gilt und deshalb landläufig auch als Fackentoni bezeichnit wird.
Und ob dieser Heilige jemanden in seiner Runde dulden wird, der zwar vorgeschobenermaßen zur Rettung der Forstwirtschaft tatsächlich aber aus purer Genusssucht zum Wildschweinschlachten aufruft, bezweifle ich noch mehr.

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